Dennis Sabisch berichtet von Flügelkämpfen rund um Aufrüstung und den Genozid in Gaza, sowie vom durchschaubaren Verhalten des Parteivorstands auf dem Parteitag der Linken am vergangenen Wochenende.
Ausgangssituation
Am 9. und 10. Mai trat der Bundesparteitag der Linken mit den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus zusammenfallend in Karl-Marx-Stadt zusammen. Es sollten vor allem organisatorisch die Leitplanken für die kommende Arbeit der Partei für die nächsten Jahre gesetzt werden, nach einem überwältigenden Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2025 und einer Verdopplung der Mitgliederzahl.
Auffallend in der Vorbereitung war zum einen das Ausbleiben von eigenständigen Initiativen aus dem rechten Parteiflügel, sowie ein vergleichsweise durchaus gelungener Entwurf für den Leitantrag, den auch die Änderungsanträge aus dem rechten Parteiflügel in Form von Forum Demokratischer Sozialismus, Netzwerk Progressive Linke und einzelnen Kreisverbänden nicht zerschießen konnten. Es schien, als ob der offenkundige Plan von Parteivorstand und Parteitagsregie einen für die Medien auf Hochglanz polierten Parteitag durchzuziehen, auf dem Geschlossenheit simuliert wird, aufgehen würde – trotz der fatalen Zustimmung der Senatorinnen aus Mecklenburg-Vorpommern und Bremen zum Merzschen Kriegsvorbereitungsprogramm, und trotz eines Antrags aus den Jugendverbänden SDS und Linksjugend [’solid], der ihren Rückzug forderte.
Erhebliche Risse bekam die scheinbare Einheit dann doch am Abend vor dem Parteitag, als der Parteivorstand den Dringlichkeitsbeschluss „Das Existenzrecht des Staates Israel ist für uns nicht verhandelbar“ fasste, der offenkundig das Parteivorstandsmitglied Ulrike Eifler sanktionieren und der bürgerlichen Presse zum Fraß vorwerfen sollte, weil sie zwei Tage vorher einen Tweet absetzte, in dem die üblichen Verdächtigen Vernichtungsfantasien gegen den Staat Israel zu erkennen wussten – wir meinen, wer zu der Interpretation kommt hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Freitag, der 09.5.
Unter diesen Vorzeichen trafen die Delegierten dann am Freitag in Karl-Marx-Stadt ein; letzte Absprachen und Vernetzungstreffen fanden statt, bevor es schließlich zum Medienspektakel und eher zweitrangig zum Sitzungssozialismus überging. Bereits in der Generaldebatte zeichneten Genoss*innen die politischen Trennlinien nach, prangerten den mangelnden Einsatz gegen den Genozid in Gaza an und übten Kritik an den Landesregierungen mit linker Beteiligung, bevor das Leitantragsverfahren schließlich auf einer politischen Ebene ziemlich geräuschlos über die Bühne ging. Etwas interessanter lief die Debatte am Abend um eine Zusammenführung von drei Anträgen zum Themenkomplex Krieg und Militarisierung (alle aus eher links in der Partei vororteten Antragsstellenden), welche durch die Redner*innen, welche es zuerst ans Saalmikro schafften, zwar suggerierte, dass die Gräben tief seien – das Abstimmungsverhältnis (90% für die zusammengeführte Version) zeigte hier aber eindrücklich, dass diejenigen, die antimilitaristische Positionen offen schleifen wollen, derzeit in der Partei marginalisiert sind.
Sehr viel frustrierender war am Freitag hingegen der Umgang mit den Plena der Frauen, bzw. FLINTA*-Personen (die Partei ist sich hier in der Begrifflichkeit noch nicht klar) und der migrantischen Genoss*innen. Während für große Teile der Delegierten um 19:00 Uhr Feierabend war und diese am abendlichen Unterhaltungsprogramm teilhaben konnten, tagten die Betroffenenplena nacheinander bis 22:00 Uhr. Leider legten die Berichte eines sich gespaltenen Frauen/Flinta*-Plenums offen, dass es noch viele Schritte geben muss, um insbesondere für trans* Genoss*innen eine inklusive Partei zu schaffen.
Das Plenum für migrantische Genoss*innen fasste den Schritt, die Vernetzung von (post-)migrantischen Genoss*innen mit der Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Migrantische Linke/Links*kanax zu intensivieren.
Samstag, der 10.5.
Für den Samstag standen dann erstmal Gremienwahlen für die Bundesschieds- und Bundesfinanzrevisionskommission, welche durch eine Vielzahl an Kandidat*innen sehr viel länger dauerte als ursprünglich im Zeitplan festgehalten. Entsprechend machte sich die wohlbegründetete Befürchtung breit, dass strittige Fragen in der am Ende des Parteitages eingeplanten Antragsdebatte aus Zeitmangel hinten rausfallen. Hier stand insbesondere zur Antisemitismusdefinition, wo in der jetzigen Situation die IHRA-Definition Tür und Tor für einen Ausbau des Repressionsapparates gegen internationalistische Stimmen geöffnet hat, eine handfeste und notwendige Kontroverse im Messesaal. Zwar wurde im regulären Zeitplan noch der Dringlichkeitsantrag „Vertreibung und Hungersnot in Gaza stoppen – Völkerrecht verwirklichen!“ mit großer Mehrheit angenommen werden, welcher nach mehr als 1,5 Jahren Genozid in Gaza endlich klare Worte findet, doch die Debatte um eine Orientierung auf die Jerusalem Erklärung musste per Geschäftsordnungsantrag in der Nachspielzeit des Parteitages gegen Regie und Parteivorstand erzwungen werden, was jeweils mit kleinen Mehrheiten gelang. Den kleinen, aber bedeutsamen Schritt, der von der Mitte der Partei nicht gewollt wurde, hat sich der linke Flügel in der Partei erkämpft und das ist das zentrale Ergebnis, welches wir aus Karl-Marx-Stadt mit in unsere Kreisverbände und Basisgruppen bringen sollten.