In diesem klassischen Text der marxistischen Behindertenbewegung von 2002 fordern Marta Russell und Ravi Malhotra, das soziale Phänomen der Behinderung im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus zu begreifen. Sie plädieren für einen Bruch mit liberalen Vorstellungen von Behinderung und für eine sozialistische Ausrichtung der Behindertenbewegung.
Anmerkung der Übersetzerin:
Ich habe mich aus mehreren Gründen dazu entschieden, diesen Text (trotz seines Alters) zu übersetzen. Zum einen handelt es sich um einen der grundlegenden Texte der Behindertenbewegung über den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Behinderung, ich halte ihn somit für relevant für alle Linken, die sich mit dem Phänomen Behinderung im Kapitalismus beschäftigen wollen und er eignet sich als Einstieg in das Thema um das Wichtigste zu verstehen. Es gibt zum anderen vergleichsweise wenige dieser wichtigen Texte auf Deutsch, was meiner Ansicht nach u.a. ein Grund ist, warum die deutsche Behindertenbewegung der englischsprachigen theoretisch so hinterherhängt. Die Texte auf Deutsch zur Verfügung zu stellen soll dem Problem entgegenwirken. Außerdem ist, wie die beiden Autor*innen in dem Artikel selbst darlegen, es für jede*n Kommunist*in auch zu allgemeinen Fragen der Organisation und nicht nur zum Thema Behinderung lohnenswert, sich mit dem Ursprung von Behinderung und mit den Problemen zu beschäftigen, auf die die Behindertenbewegung gestoßen ist, und aus ihren Fehlern zu lernen, denn die Phänomene, auf die diese stößt, begegnen allen Linken in allen Kämpfen früher oder später. Doch nun das für mich relevanteste als Person, der die Behindertenbewegung am Herzen liegt: alle Probleme, die Russell und Malhotra hier wie ich finde mit beeindruckender Weitsicht skizzieren, haben sich in den letzten Jahren nur weiter verschärft. Der Text hat also nicht an Aktualität und Dringlichkeit verloren, sondern eher dazugewonnen. Alles, was sie erwähnen, habe ich aus eigener Erfahrung erlebt, es war frustrierend, es hat Organisierung erschwert oder verunmöglicht. Sie skizzieren hier brillant, wie es dazu gekommen ist. Nur, wenn wir uns Analysen wie die ihre zu Hilfe nehmen und sie weiterentwickeln, können wir die aktuelle Situation der Behindertenbewegung verstehen und verändern. Diese Problematiken sind: die immer noch herrschende Hegemonie des medizinischen Modells, mangelnde Selbstorganisation, Abschottung und Überausbeutung behinderter Menschen, fehlende Solidarität und fehlendes Wissen über die Thematik bei Sozialist:innen und sonstigen organisierten Linken, neue, neoliberale Formen das „Problem Behinderte Menschen“ kapitalistisch zu verwalten, aber auch die drohende bzw. immer fortschreitende Entwicklung zu Fragmentierung unter Betroffenen sowie eine Neoliberalisierung des Diskurses mit Fokus auf Identitätspolitik, ein mangelndes Bewusstsein für Klasse und Kapitalismus als Ursprung für Behinderung an sich. Die wenigsten Linken haben sich mit dem Thema Behinderung beschäftigt und aufgrund ihrer Unterdrückung als Klasse und ihrer sozialen Abschottung in allen gesellschaftlichen Bereichen sind auch die wenigsten behinderten Menschen politisiert, geschweige denn organisiert. Es fehlt also Austausch. Daher braucht es immer noch diese Grundlagentexte. Zwar wird das Thema Behinderung in linksliberalen Kreisen immer sichtbarer, doch das birgt auch Gefahren. Tatsächliche Solidarität, die über bloße Identitätspolitik oder liberale Intersektionalitätsdiskurse hinausgeht, gibt es nicht. Der Klassenursprung der Problematik wird verschleiert und es wird dadurch (selbst unter teilweise politisierten behinderten Menschen selbst) am medizinischen Modell festgehalten, anstatt es anzugreifen. Als Linke müssen wir unser Klassenbewusstsein in allen Belangen schärfen. Nirgends werden die Widersprüche in unserer Gesellschaft, und die gesellschaftliche Funktion von Klasse und Prekarisierung deutlicher als beim Thema Behinderung. Aktuell ist die Behindertenbewegung in Deutschland selbst so liberal identitätspolitisch dominiert (obwohl ihre Ursprünge und ihre erfolgreichen Kämpfe im Marxismus wurzeln!), dass sie droht, zu einer völlig entpolitisierten Selbsthilfegruppe zu verkommen, die natürlich für politisch aktive Linke unattraktiv wird, die meiner Ansicht nach aber an die durchaus vorhandenen revolutionären Elemente wie diesen Text anknüpfen und Einfluss nehmen sollten.
Sofía Machado, 22. April 2025.
Eine Behinderung zu haben wird in der Regel als eine persönliche Tragödie angesehen, die das Individuum überwinden muss, oder als ein medizinisches Problem, an das sich das Individuum gewöhnen muss. Im Jahre 1976 machte allerdings die „Union of the Physically Impaired Against Segregation in Britain“ (Vereinigung der körperlich Beeinträchtigten gegen Segregation in Großbritannien) einen entscheidenden Schritt vorwärts, als sie herausstellte, dass „Behinderung etwas ist, das uns zusätzlich zu unseren Beeinträchtigungen aufgezwungen wird, durch die Art und Weise, wie wir unnötig aus der vollen Partizipation in der Gesellschaft ausgeschlossen und isoliert werden“.1 Bald wurde es unter behinderten Menschen und denjenigen, die sich mit dem Thema beschäftigten, zum Konsens, dass es „die Gesellschaft ist, die Menschen mit Beeinträchtigungen behindert.“
Das soziale Modell von Behinderung2 erfordert ein Umdenken geläufiger Definitionen. Wenn man biologische oder physisch-anthropologische Definitionen von Behinderung beiseitelässt, die es so erscheinen lassen, als würden beeinträchtigte Personen auf „natürliche“ Weise – und daher gerechtfertigt – aus der erwerbstätigen Bevölkerung ausgeschlossen, weisen sogar Mainstreamdefinitionen ernsthafte Mängel auf. Die WHO zum Beispiel, definiert Beeinträchtigung (taub oder blind zu sein, in der Mobilität beeinträchtigt zu sein oder andere Beeinträchtigungen zu haben) als das physiologische „Problem“; Behinderung als aus der Beeinträchtigung resultierende eingeschränkte Funktionen oder Aktivitäten; und Handicap als den „Nachteil, der aus der Beeinträchtigung oder Behinderung erwächst und die Fähigkeit, eine Rolle einzunehmen, einschränkt oder verhindert“.3 Diese Terminologie wurde von Vertretern des sozialen Modells von Behinderung kritisiert, weil sie hauptsächlich auf medizinischen Definitionen basiert und eine biophysiologische Definition von Normalität verwendet. Zudem wird „die Umwelt“, in der dieser Nachteil verortet wird, als „neutral“ dargestellt, und jede negative Konsequenz dieser Herangehensweise für die Person mit einer Beeinträchtigung wird als unvermeidlich oder akzeptabel angesehen, anstatt als behindernde Barrieren.4
Behinderung neu zu denken als eine Folge der politischen Ökonomie erfordert allerdings auch, die Grenzen des „Minderheitenmodells“ von Behinderung anzuerkennen, in welchem Behinderung als das Produkt einer behindernden sozialen und architektonischen Umwelt verstanden wird. Laut diesem Modell liegt die Ursache der Probleme, auf die behinderte Menschen stoßen, in vorurteilsbehafteten oder diskriminierenden Haltungen. Dies impliziert, dass die Gesellschaft die „Differenz“ akzeptieren wird und Gleichheit herrschen wird, sobald falsche Haltungen beseitigt werden.5 Dieser Ansatz lenkt Aufmerksamkeit weg von der Produktionsweise und den konkreten sozialen Beziehungen, die die behindernden Barrieren sowie die Exklusion und Ungleichheiten produzieren, mit denen behinderte Menschen konfrontiert sind.
Dagegen nehmen wir den Standpunkt ein, dass Behinderung eine sozial konstruierte Kategorie ist, welche aus dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis resultiert, ein Produkt der ausbeuterischen ökonomischen Struktur der kapitalistischen Gesellschaft: einer Gesellschaft, die den sogenannten „behinderten“ Körper erschafft (und dann unterdrückt) als eine der Bedingungen, die es der kapitalistischen Klasse ermöglichen, Reichtum anzuhäufen. Aus dieser Perspektive ist Behinderung ein Aspekt des Hauptwiderspruchs des Kapitalismus, und bei einer Behindertenpolitik, die betrieben wird, ohne dass dies begriffen wird, handelt es sich bestenfalls um mangelhafte Reformstrategien oder, schlimmstenfalls, um Formen bürgerlicher Ideologie, die dieses zentrale Verhältnis verschleiern.
Kapitalistische Anfänge und die Kommodifizierung des beeinträchtigten Körpers
Die Hauptunterdrückung behinderter Menschen (z.B. Menschen, die arbeiten könnten, wenn ihr Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse angepasst wäre) ist ihr Ausschluss aus der Ausbeutung als Lohnarbeiterinnen.6 Studien haben gezeigt, dass behinderte Menschen seltener am Arbeitsmarkt teilnehmen, es eine höhere Arbeitslosigkeitsquote gibt und behinderte Menschen häufiger in Teilzeit arbeiten als nicht-behinderte Menschen.7 In den USA sagen 79 Prozent der behinderten Menschen im Arbeitsalter, dass sie lieber arbeiten würden,8 allerdings waren im Jahre 2000 nur 30,5 Prozent der Menschen mit einer Erwerbsunfähigkeit zwischen 16 und 64 Teil der erwerbstätigen Bevölkerung und nur 27,6 Prozent waren angestellt; während 82,1 Prozent der nicht-behinderten Menschen in dieser Altersgruppe entweder angestellt (78,6 Prozent) oder aktiv auf Arbeitssuche waren.9 Obwohl eine Arbeit zu haben nicht immer dazu führt, über der Armutsgrenze zu leben, hat der historische Ausschluss behinderter Menschen aus der Arbeiterinnenschaft zweifellos zu ihrer Armut beigetragen. Behinderte Menschen sind fast dreimal häufiger davon betroffen, unter der Armutsgrenze zu leben – 29 Prozent der behinderten Menschen leben in Armut, während es 10 Prozent der nicht-behinderten Menschen tun.10 In den USA lebt ein Drittel der behinderten Erwachsenen in einem Haushalt mit einem jährlichen Einkommen von unter 15,000 US-Dollar,11 während die 300-400 Millionen behinderter Menschen, die in Entwicklungsländern leben, eine noch geringere Chance auf einen Arbeitsplatz haben und in äußerster Armut leben und in der Regel gar keine Absicherung haben.12
Der historische Materialismus bietet eine theoretische Basis, mit der sich diese Verhältnisse und daraus resultierende Umstände erklären lassen. Im Feudalismus war ökonomische Ausbeutung ökonomisch und politisch. Ihre Voraussetzung war die feudale Konzentration von ländlichem Besitz. Während wenige Besitzer den Überschuss abschöpften, arbeiteten viele, die auf den Grundstücken lebten, für ihren eigenen Bedarf und behinderte Menschen konnten auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem Erfolg an dieser Wirtschaft teilhaben.13 Trotz religiösen Aberglaubens in Bezug auf behinderte Menschen im Mittelalter, und erheblicher Verfolgung, konnten viele behinderte Menschen aufgrund des ländlichen Produktionsprozesses, der vor der Industrialisierung vorherrschend war, einen echten Beitrag zum wirtschaftlichen Alltag leisten.14
Mit dem Aufkommen des Kapitalismus waren die Menschen nicht mehr an Land gebunden, sondern waren gezwungen, Lohnarbeit zu finden oder zu verhungern; und während der Industrialisierung des Produktionsprozesses wurden menschliche Körper zunehmend danach bewertet, ob sie wie Maschinen funktionieren konnten. Bosse konnten nicht-behinderte Menschen dazu bringen, in immer höherer Geschwindigkeit zu produzieren. Fabrikdisziplin, Pünktlichkeit und Produktionsnormen brachen mit den langsameren, selbstbestimmteren und flexiblen Arbeitsrhythmen, die viele behinderte Menschen übernommen hatten.15 Als Arbeit immer weiter rationalisiert wurde und präzise, mechanische Bewegungen des Körpers erforderte, welche in hoher Geschwindigkeit wiederholt werden sollten, wurden behinderte Menschen – die Tauben oder Blinden, oder diejenigen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen – als weniger dazu geeignet betrachtet, die Aufgaben zu erfüllen, die von Fabrikarbeiterinnen verlangt wurden — was sie ohne an ihre Beeinträchtigungen angepasste Arbeitsplätze auch waren – und wurden immer mehr von bezahlter Arbeit ausgeschlossen.16 So drängte „die Funktionsweise des Arbeitsmarktes im neunzehnten Jahrhundert beeinträchtigte Menschen aller Art an das unterste Ende des Marktes.“17
Auf diese Weise schuf der industrielle Kapitalismus nicht nur eine Klasse der Proletarier, sondern auch eine neue Klasse „Behinderter“, die nicht den Standards eines Arbeiterinnenkörpers entsprachen und deren Arbeitskraft ausradiert, von bezahlter Arbeit ausgeschlossen wurde.18 Als Folge dessen kam es dazu, dass behinderte Menschen als ein soziales Problem gesehen wurden. Aus dieser Perspektive rechtfertigte man schließlich, sie aus dem allgemeinen Leben heraus- und in verschiedene Institutionen hineinzusegregieren, darunter Armenhäuser, Heime, Gefängnisse, Kolonien und Sonderschulen.19 Weiter wurde diese Exklusion rationalisiert und begründet durch Sozialdarwinisten, die Biologie benutzten, um zu argumentieren, dass Erbgut – verstanden als Rasse und Gene – mehr zählten als die Probleme bezüglich Klasse und Ökonomie, über die Karl Marx und andere sprachen. So wie die „Unterlegenen“ in der Natur nicht überleben sollten, sollten sie auch nicht in einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft überleben. In mehreren Ländern wurden Gesetze zur Zwangssterilisierung behinderter Menschen erlassen, die von sozialdarwinistischen Eugenik-Theorien geprägt waren.20 Eugenik-Befürworter wie Galton, Dugdale und Goddard propagierten den Mythos, dass es eine unvermeidliche genetische Verbindung zwischen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen und Verbrechen sowie Arbeitslosigkeit gab.21 Dieser Mythos hing auch zusammen mit einflussreichen Theorien über rassische Überlegenheit, wonach die Geburt behinderter Kinder als eine Bedrohung für die Reinheit der Rasse angesehen wurde.22 Im berüchtigten Gerichtsverfahren Buck v. Bell von 1927 erhielt der US Supreme Court die Legalität von Zwangssterilisierungen behinderter Menschen aufrecht. In einem Extremfall der Umsetzung dieser Theorien wurden in Nazideutschland behinderte Personen als eine ökonomische Last betrachtet („Ballastexistenzen“) und zehntausende von ihnen wurden ermordet.23 Doch selbst in den „demokratischen“ USA bestand diese Logik: im Jahre 1938 hatten dreiunddreißig US-Staaten Sterilisierungsgesetze und zwischen 1921 und 1964 wurden über 63.000 behinderte Menschen zwangssterilisiert in einem pseudowissenschaftlichen Bemühen, Geburten behinderter Nachkommen zu verhindern und so an Sozialkosten zu sparen.24 Auch, wenn es nicht in allen betreffenden Ländern Gesetze dazu gab, war die Sterilisierung behinderter Menschen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in mehreren Ländern weit verbreitet, darunter Großbritannien, Dänemark, Schweden, die Schweiz und Kanada.25
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ausbau des Sozialstaates in den meisten industrialisierten Ländern entstanden zwei gegensätzliche Entwicklungen für behinderte Menschen. Einerseits bot der Staat mehr Sozialleistungen an. Andererseits versuchte der Staat auch, mehr in das Leben der Empfänger dieser Leistungen einzugreifen. Dies war vor allem in Großbritannien und anderen europäischen Ländern der Fall. Der Beveridge Report in Großbritannien symbolisierte dieses Projekt und hatte ganz klar das Vorhaben, ein ableistisches und patriarchales System zu etablieren, in dem weiße, männliche, nicht-behinderte Arbeiter die Hauptverdiener waren, verheiratete Frauen Hausarbeit verrichteten, und behinderte Menschen als ein medizinisches Problem gesehen und der Expertise von Spezialisten überlassen wurden.26 Allerdings gab es selbst in den USA, deren Sozialstaat relativ wenig ausgebaut war, verstärkt soziale Programme wie zum Beispiel segregierte Werkstätten, in denen behinderte Arbeiterinnen u.a. dadurch ausgebeutet wurden, dass man ihnen Löhne unter dem Mindestlohn zahlte. Dies war eine Komponente der „Diktatur über Bedürfnisse“, die der Bürokratie des Sozialstaates inne war, der Menschen in Objekte staatlicher Politik und in „Kunden“ verwandelte.27
Die „Medikalisierung“ von Behinderung und Instrumente zur Klassifikation spielten offensichtlich eine wichtige Rolle darin, Spaltungen zwischen den „Behinderten“ und den „Nicht-Behinderten“ zu verursachen. Behinderung wurde zu einer wichtigen Kategorie zur Begrenzung, nach der entschieden wurde, ob man Menschen einem auf Arbeit basierenden oder einem auf Bedürfnissen basierenden Verteilungssystem zuordnete. In den USA wurde Behinderung explizit mit Bezug auf den Arbeitsmarkt definiert. Zum Beispiel wird in manchen Gesetzen, die die Entschädigung von Arbeitern regeln, der Körper einer Arbeiterin danach bewertet, wie stark jedes der funktionierenden Körperteile beeinträchtigt ist.28 Im Sozialversicherungsgesetz bedeutet „behindert: aus medizinischer Sicht unfähig, wesentliche Arbeit zu verrichten.29 Die Kategorie Behinderung war bei der Entwicklung einer ausbeutbaren Lohnarbeiterschaft im frühen Kapitalismus von essenzieller Bedeutung, und bleibt auch heutzutage als ein Instrument des Staates zur Kontrolle des Arbeitskräftepotenzials unentbehrlich.30 Indem sich im Feld der Medizin darauf konzentriert wurde, sogenannte Abnormalitäten zu heilen, und diejenigen, die nicht geheilt werden konnten, in die administrative Kategorie „behindert“ zu segregieren, kooperierte die Medizin dabei, weniger ausbeutbare Arbeiterinnen aus der Arbeiterschaft herauszudrängen.31
So wie der Kapitalismus Arbeiterinnen ins Lohnverhältnis hineinzwingt, so zwingt er behinderte Arbeiterinnen aus ihm heraus.32 Behinderte Arbeiterinnen sind mit dem kapitalistischen System inhärenter ökonomischer Diskriminierung konfrontiert, welche aus den Erwartungen der Arbeitgeber resultiert, zusätzliche Produktionskosten auf sich zu nehmen, wenn sie eine nicht dem Standard entsprechende Arbeiterin (also eine behinderte Arbeiterin) anstellen anstatt einer Standard-Arbeiterin (also einer nicht-behinderten Arbeiterin), die keine Barrierefreiheit schaffenden Maßnahmen am Arbeitsplatz, keine Gebärdensprachdolmetscherinnen, keine Screenreader, keine arbeitsumfeldverbessernden Maßnahmen, keine Haftpflichtversicherung und keine vollständige Krankenversicherung (in manchen Fällen sogar gar keine Krankenversicherung) benötigt.33 „Behinderung“ ist eine sozial hergestellte Kategorie, die definiert, wer einen Job angeboten bekommt und wer nicht, und was das genau bedeutet, variiert je nach ökonomischer Aktivität.
Das liegt daran, dass der Grund für Diskriminierung am Arbeitsplatz, wie sie behinderte Menschen erleben, in der Berechnung der Buchhaltungsabteilung liegt, was die gegenwärtigen Produktionskosten im Vergleich mit dem potenziellen Beitrag anbelangt, den eine angestellte Arbeiterin zur Steigerung künftiger Profite leisten könnte. Wenn „Behinderungen“ direkter Produzentinnen die Produktionskosten erhöhen, ohne die Profitrate zu erhöhen, werden Arbeitgeber und Manager zwangsläufig diese Arbeiterinnen diskriminieren. Gegen Kosten, die daraus entstehen, für „behinderte“ Arbeiterinnen den Arbeitsplatz barrierefrei zu gestalten, wird sich Widerstand regen, da es dabei um eine Vergrößerung des fixen Teils des ausgegebenen konstanten Kapitals geht. Daher waren (und sind) auch sämtliche kleinen und mittelgroßen Unternehmen, insbesondere die Industrie- und Handelskammer der USA, gegen den Americans with Disabilities Act (ADA). Arbeitgeber und Manager werden behinderte Arbeiterinnen nur solange tolerieren, solange sie an einem variablen Anteil der Produktion sparen können, z.B. indem sie behinderte Arbeiterinnen schlecht bezahlen,34 oder durch Steuerbefreiungen und andere Subventionen. Das bedeutet also, dass eine Arbeitnehmerin, die zu teuer ist (z.B. schwerbehindert), um beim aktuellen Output Profite für das Unternehmen zu generieren, wahrscheinlich entweder erst gar nicht angestellt wird, oder dies zumindest nicht lange.35 Umfragen in den USA zeigen, dass, verglichen mit den vier Fünfteln der Personen im Arbeitsalter, die Jobs haben, nur knapp über ein Viertel behinderter Menschen einen Job haben.36
Arbeitgeber und Investoren benötigen den Status quo und das aktuelle Arbeitssystem, denn durch dieses sind sie nicht gezwungen, die Kosten, die damit einhergehen, behinderte Arbeiterinnen in der aktuellen Produktionsweise einzustellen, zu tragen, ganz abgesehen von den 800 Millionen Menschen auf der Welt, die teilweise oder vollständig arbeitslos sind. Daher werden behinderte Menschen, die aktuell nicht auf dem primären Arbeitsmarkt sind, die auf Sozialhilfe angewiesen sind und die arbeiten könnten, wenn ihre Arbeitsplätze an ihre Beeinträchtigungen angepasst wären, nicht in die Berechnungen von Arbeitgebern mit einbezogen.37 Das Pflegegeld- und Sozialhilfesystem dient also als ein sozial legitimiertes Mittel der kapitalistischen Klasse, um die Anstellung behinderter Arbeiterinnen vermeiden zu können bzw. es zu vermeiden, Arbeiterinnen weiterhin anzustellen, die im Laufe ihres Arbeitslebens behindert werden. So kann die kapitalistische Klasse auf „moralische“ Art und Weise die Kosten zur Unterstützung behinderter Menschen auf armutsbasierte staatliche Regierungsprogramme verlegen, und so die Armut behinderter Menschen immer weiter aufrechterhalten.
Doch die Kategorisierung als „behindert“, und die darauf folgende Verarmung, mit der so viele konfrontiert sind, wenn sie versuchen, mit Sozialhilfe zu überleben,38 dient auch noch einer weiteren Klassenfunktion: diese Kategorisierung erzeugt eine sehr realistische Angst bei Arbeiterinnen davor, behindert zu werden. Im Grunde ist das unzureichende Sicherheitsnetz für behinderte Menschen ein Produkt der Angst der Kapitalistenklasse, die volle Kontrolle darüber zu verlieren, was sie mit den Produktionsmitteln tut.39 Der US-amerikanische Arbeitsethos ist ein Mechanismus sozialer Kontrolle, die den Kapitalistinnen eine zuverlässige, ausbeutbare Arbeiterschaft garantiert, um Profite zu machen. Wenn Arbeiterinnen ein soziales Sicherheitsnetz bekämen, das sie bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung oder im hohen Alter angemessen schützen würde, wären sie in einer stärkeren Position, um ihre Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Die US-amerikanischen Kapitalistinnen erhalten ihre Macht über die Arbeiterklasse durch die Schaffung einer Angst vor Armut aufrecht, die geschwächt würde, wenn das soziale Netz tatsächlich sicher wäre.
Behinderte Personen, die keinen Körper bieten, der zur Profitgenerierung als Arbeiterin dienen kann, werden auf andere Weisen dazu benutzt, den Kapitalismus zu stützen. Unternehmer und Rehabilitationsspezialisten haben beeinträchtigte Körper für die ökonomische Ordnung nutzbar gemacht, indem sie aus dem Behindertwerden ein Geschäft gemacht haben.40 Der behinderte Körper wird somit zu einer Ware, um den herum soziale Programme je nach Wert für den Markt entstehen oder abgelehnt werden.41 Die Lösung der Konzerne für die Problematik des Behindertwerdens – zum Beispiel das Abschotten von behinderten Menschen in einer geschlossenen Institution wie einem Altersheim – hat sich aus der Erkenntnis entwickelt, dass man behinderte Menschen zum Generieren von Profit nutzen kann, weil der Staat die Einnahmen garantiert (in den USA finanziert Medicaid 60 Prozent der Kosten, Medicare 15 Prozent, Privatversicherungen finanzieren 25 Prozent). Für das Bruttosozialprodukt sind behinderte Menschen in einem „Bett“ mehr wert als in einem eigenen Zuhause. Wenn ein einzelner beeinträchtigter Körper jährlich Einnahmen von 30,000 bis 82,000 Dollar generieren kann, zählt Wall Street ihn als eine Bereicherung, der zum Reinvermögen eines Unternehmens beiträgt. Trotz der Anstrengung der Behindertenbewegung, die Institutionalisierung, also das Abschotten von behinderten Menschen in geschlossene Institutionen, zu beenden und die Politik dahin zu bewegen, diese durch Assistenz im eigenen Zuhause zu ersetzen, setzt sich die Logik des Kapitalismus mithilfe der Rekommodifizierung des behinderten Körpers im Zuhause durch (solange öffentliche Mittel dies erlauben – durch das neuere Konzept Managed Care, das dazu dient, Kosten zu begrenzen, kommt es immer mehr zum ökonomisch motivierten Versuch, immer weniger Unterstützung im eigenen Zuhause anzubieten). Konzerne interessieren sich immer mehr für das Potenzial, Profit aus der persönlichen Assistenz im eigenen Zuhause zu schlagen und bewerben dafür das persönliche Assistenzmodell, während sie ihre neuen „Zuhause-Assistenz-“ und „Pflege“-Imperien errichten. Wie Jim Charlton schreibt: „Die Verwandlung von Menschen in Waren verbirgt ihre Entmenschlichung und ihre Ausbeutung durch andere Menschen: sie verwandelt sie einfach in eine ökonomische Tatsache, einen selbstverständlichen Teil des Lebens.“42
Es ist auch offensichtlich, dass die Definition von Behinderung nichts Statisches ist, sondern immer verbunden ist mit kapitalistischer Akkumulation. Als sich der Sozialstaat beispielsweise in einer „Krise“ befand, versuchte er, die Definition von Behinderung zu verengen, somit mehr Menschen finanzielle Unterstützung zu verwehren und zu sparen. Es wurden auch schon viele Institutionen, in denen behinderte Menschen abgeschottet lebten und praktisch gelagert wurden, geschlossen, ohne aber die notwendigen Ressourcen aufzubringen, um den behinderten Menschen ein unabhängiges Leben zu ermöglichen. Dieser Rückzug des Staates, wenn es darum geht, bestimmte Leistungen für behinderte Menschen zu erbringen, ändert aber nichts daran, dass sich der Staat weiterhin ununterbrochen in das Leben behinderter Menschen einmischt. Der s hat immer noch diese einmischende Rolle, fokussiert sich aber auf das rücksichtslose Zurückschrauben sozialer Leistungen und weiterer Ausgaben, also auch von Unterstützungen und Leistungen für behinderte Menschen, im Namen neoliberaler Effizienz.43
Durch den Aufstieg des Kapitalismus gab es also drastische Veränderungen in der ideologischen Klassifizierung und in der Behandlung behinderter Menschen. Allerdings haben Sozialistinnen, obwohl sie beispielsweise den Zusammenhang zwischen dem Aufstieg des Kapitalismus und den English Poor Laws erkannt haben,44 die Klassifizierung, Marginalisierung und Unterdrückung behinderter Menschen weitestgehend ignoriert. Allgemein gesprochen hatte der Aufstieg des Kapitalismus gegensätzliche Auswirkungen auf behinderte Menschen. Einerseits gab es positive Effekte in der Hinsicht, dass bessere medizinische Technologien entstanden, die die Lebenserwartung und die Lebensqualität derjenigen erhöhten, die sich diese leisten konnten. Andererseits gab es sehr negative Effekte, u.a. die Klassifizierung in rigide und arbiträre Diagnosekategorien und die Einsperrung und im Grunde Inhaftierung in unterdrückerische Institutionen. Die Unterdrückung behinderter Menschen in jedem Aspekt modernen Lebens liegt im Kern im Ausschluss aus der Ausbeutung aus dem Lohnverhältnis begründet, das sie in die Rolle der Armen drängt, die Almosen bekommen.
Behindertenrechtsbewegungen: Chancen und Grenzen
Als in vielen westlichen Ländern in den 1960er Jahren neue soziale Bewegungen entstanden, die gegen Rassismus, das Patriarchat und Homophobie kämpften,45 tauchten langsam auch Bewegungen von behinderten Menschen, mit mehr oder weniger kohärenten Programmen und Ideologien auf. Anders als andere soziale Bewegungen haben die verschiedenen Behindertenbewegungen46 bis heute relativ wenig Aufmerksamkeit von Sozialistinnen, Gewerkschafterinnen oder Akademikerinnen bekommen, sogar in den USA, wo es eine der ältesten und stärksten Behindertenbewegungen gibt.47 Allerdings können diejenigen, die in anderen Kämpfen versuchen, den Kapitalismus zu bekämpfen, viel aus einer Auseinandersetzung mit der Geschichte der verschiedenen Behindertenbewegungen lernen und auch in ihnen aktiv werden. Vollständige oder weitgehende Barrierefreiheit und Anpassung an die Bedürfnisse behinderter Menschen würde notwendigerweise den Arbeitsplatz verändern und zur Hinterfragung der Erwartung führen, dass die Produktionsrate immer weiter steigt. Das Potenzial und die möglichen, weitreichenden perspektivischen Folgen der Behindertenbewegung können als radikaldemokratisch und gegenhegemonial eingestuft werden.
Man muss eine wichtige analytische Unterscheidung treffen zwischen Wohltätigkeitsorganisationen für behinderte Menschen, die von nichtbehinderten Menschen, manchmal von Eltern von behinderten Kindern, ins Leben gerufen werden, und Organisationen, die direkt unter der Kontrolle von behinderten Menschen selbst stehen und von ihnen geführt werden. Wohltätigkeitsorganisationen basieren häufig auf einer Diagnosekategorie, die mit einer bestimmten Beeinträchtigung in Zusammenhang steht, und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten und Erfahrungen von behinderten Menschen wieder, auch wenn sie eventuell manchmal nützliche Arbeit leisten. Tatsächlich ist die implizite ideologische Agenda dieser paternalistischen Organisationen, dass behinderte Menschen nicht in der Lage seien, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen.48 Außerdem führt die Tatsache, dass ihre Arbeit meistens auf arbiträren Diagnosekategorien beruht, dazu, dass zu viel Betonung auf medizinischen Problemen liegt, während sie sich nicht genug mit den Barrieren beschäftigen, die durch die materielle Umwelt und die Klassengesellschaft entstehen. Die daraus resultierende Fragmentierung – das Zersplittern behinderter Menschen in hunderte verschiedener Kategorien – erschwert erheblich die Solidarität unter behinderten Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. Wichtig ist auch, dass diese Organisationen, wie auch NGOs in anderen Sektoren, oft durch Finanzierung direkt an den Staat gebunden sind. Daher sind sie extrem eingeschränkt in ihrer Fähigkeit, Regierungspolitik zu kritisieren, auch wenn sie das zum Teil gerne möchten, da sie Angst haben müssen, ihre Finanzierung und den Zugang zu Entscheidungsträgern zu verlieren. Es gibt viel mehr Organisationen für behinderte Menschen als Organisationen, die unter der Kontrolle von behinderten Menschen stehen. Die Organisationen für behinderte Menschen erhalten auch viel mehr finanzielle Unterstützung.49 Die Einschränkungen in ihrer Politik sollten nicht überraschen, wenn man sich anschaut, wie fragwürdig NGOs in allen Kontexten arbeiten und wie schnell sie vereinnahmt werden.
In scharfem Kontrast dazu haben von behinderten Menschen geführte Organisationen zumindest das Potenzial für radikalere Politik. In den 1960er Jahren entstand in Berkeley, Kalifornien, die Independent-Living-Bewegung (IL), die von einer Gruppe behinderter Studentinnen angeführt wurde, die als die Rolling Quads bekannt waren. Sie setzten sich für die Selbstermächtigung behinderter Menschen ein und konzentrierten sich auf strukturelle Barrieren durch die Umwelt, nicht auf die Beeinträchtigungen individueller Personen. Das erste Independent Living Centre (ILC) basierte auf dem soziopolitischen Modell von Behinderung, wurde in Berkeley gegründet und versuchte, nicht nur Studentinnen, sondern auch Nicht-Studentinnen in ihren Kampf für Selbstermächtigung einzubeziehen. In wenigen Jahren wurden überall in den USA ILCs gegründet, es entstanden aber auch einige in Großbritannien, Kanada und Brasilien.50
Für die Behindertenbewegung war das Entstehen der IL-Bewegung zweifellos ein Schritt vorwärts. Das gemeinsame Bewusstsein, das durch gemeinsame Aktionen gestärkt wird, ist ein wichtiger erster Schritt in jeder sozialen Bewegung. Indem die IL-Bewegung das, was bisher vor allem als private Sorgen gesehen wurde, neu als politische Probleme definierte (genauso wie es die Frauenbewegung getan hatte), entstand eine Basis für eine lebendige, soziale Bewegung.51 Auch die Vitalität der Frauenbewegung, der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der schwulen und lesbischen Bewegung, der Chicano-Bewegung und anderer neuer Bewegungen für soziale Gerechtigkeit sorgte für eine offene Atmosphäre, in der auch die Beseitigung der Unterdrückung behinderter Menschen thematisiert werden konnte.
Trotzdem gab es und gibt es ernsthafte Widersprüche in der IL-Philosophie. Einerseits geht es ihr darum, Autonomie und Selbstbestimmung für behinderte Menschen zu fördern. Andererseits akzeptiert sie implizit die Grundsätze der Ideologie des freien Marktes, indem sie die Debatte so führt, als ginge es um das Recht behinderter Menschen, als Konsumentinnen vom Markt gleich behandelt zu werden. Die Fähigkeit, am Markt teilzunehmen, ist für den riesigen Anteil behinderter Menschen, die in Armut oder an der Armutsgrenze leben, ein schwacher Trost. Schließlich haben in einer kapitalistischen Gesellschaft nur diejenigen Zugang zum Markt, die die Kaufkraft haben, die Dienstleistungen zu kaufen, die angeboten werden. Eine Befreiungsstrategie für behinderte Menschen, die von dieser Kaufkraft abhängt, ist schwach, und nur für einen kleinen Teil einer ohnehin kleinen Gruppe sehr privilegierter behinderter Menschen von Nutzen. Außerdem werden durch diese Strategie in der Regel die Belange von Frauen und Minderheiten an den Rand gedrängt. Indem die IL-Bewegung die Prinzipien des freien Marktes als gegeben und unhinterfragbar hinnahm, verlief ihr radikales Potenzial, behinderte Menschen wirklich zu ermächtigen, im Sande. In den schlimmsten Fällen ist aus manchen IL-Zentren, die fürchteten, für zu viel Aufregung zu sorgen und dadurch staatliche Gelder zu verlieren, nichts weiter geworden als Orte, in denen Peer-Beratung stattfindet und Picknicks organisiert werden. Nur, wenn das Fundament der Regeln des Marktes wirklich hinterfragt wird, kann es Befreiung für behinderte Menschen geben.
Es gab allerdings schon immer Teile der Behindertenbewegung, die sich gegen die Gefahren der Vereinnahmung durch den Staat gewehrt haben und militante, konfrontative und provokante Taktiken verwendet haben, die zeigen, dass Widerstand und größere soziale Veränderungen möglich sind.
Jahrzehnte vor der Entstehung der IL-Bewegung setzte zum Beispiel die League for the Physically Handicapped, eine Gruppe von etwa dreihundert behinderten Rentnerinnen in New York während der schweren Wirtschaftskrise 1929, zivilen Ungehorsam ein, um gegen ihre Diskriminierung zu protestieren, da man sie auf Basis ihrer Beeinträchtigung von den Arbeitsangeboten der Works Progress Administration ausgeschlossen hatte.52 Viel später, im Jahr 1970, wurde die Organisation Disabled In Action (DIA) gegründet. Sie setzte direkten politischen Protest ein. Während der Präsidentschaftswahlen im Jahr 1972 arbeitete Disabled in Action mit einer Gruppe behinderter und oft sehr politisierter Vietnam-Veteranen zusammen, die relativ einflussreich waren und durch die sie viel Unterstützung bekamen. Gemeinsam forderten sie eine Debatte mit Präsident Nixon, die aufgezeichnet werden sollte. Sie organisierten auch eine Demonstration am Lincoln-Denkmal, nachdem Nixon mit einem Veto ein Gesetz gestoppt hatte, das Sozialprogramme für behinderte Menschen fördern sollte.53
Der vielleicht prägendste Moment in der neueren Geschichte der Behindertenbewegung in den USA geschah 1977, als es darum ging, die gesetzlichen Regulierungen, die 1973 unter Sektion 504 des Rehabilitation Act vorkamen, auch tatsächlich in Kraft treten zu lassen. Diese Sektion sollte festlegen, dass es illegal sei, wenn staatliche Behörden, Bauunternehmer oder öffentliche Universitäten Menschen aufgrund von Behinderung diskriminieren. Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wurde von vorangegangenen Regierungen verzögert, aber es gab Erwartungen, dass die Regierung unter Carter das Versprechen erfüllen würde, die Regulierungen in Kraft treten zu lassen. Als offensichtlich wurde, dass die Politik vorhatte, Zeit zu schinden, und die Regulierungen stark zu verändern, um so zum Beispiel weiterhin Segregation in der Bildung und weiteren Lebensbereichen zu erlauben, mobilisierten Behindertenrechtsaktivistinnen in mehreren Städten der USA zu Aktionen. Während die meisten Demonstrationen ziemlich schnell endeten, nahm die Bewegung in Berkeley wirklich außergewöhnliche Ausmaße an. Dort besetzten Behindertenrechtsaktivistinnen das Gebäude des Ministeriums für Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt (HEW) 25 Tage lang und errangen den vollständigen Sieg und die Durchsetzung ihrer Forderungen: das Inkrafttreten der Regulierungen ohne jegliche Streichungen oder Anpassungen.54
Dieser Prozess war für die Teilnehmerinnen an der Besetzung eine transformative Erfahrung. Sie entdeckten ihre Fähigkeit, durch politische Aktionen die Welt zu verändern. Grenzen und Teilungen anhand arbiträrer Diagnosekategorien, die auf dem schlechten, medizinischen Modell von Behinderung basieren, haben oft zu ernsthaften Spannungen geführt, die es erschwert haben, soziale Bewegungen zu schaffen. Doch in diesem Fall waren Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen dazu in der Lage, sich hinter einer gemeinsamen Strategie zu vereinen und zu einem Zeitpunkt, der ziemlich offensichtlich einen Wendepunkt darstellte, Solidarität aufzubauen. Es wurden auch Verbindungen zu anderen sozialen Bewegungen geschaffen. Zum Beispiel spendeten Gewerkschaften und Bürgerrechtsorganisationen den Demonstrantinnen Essen, das von der örtlich aktiven militanten Black Panther Party zubereitet wurde. Es ist jedoch klar, dass die Proteste im Ministeriumsgebäude nur durch die vorausgegangene Pioniersarbeit der IL-Bewegung möglich waren, auch wenn diese strukturell und ideologisch begrenzt war.
Sowohl in den USA als auch in Großbritannien führt ein kleiner Kader militanter Behindertenrechtsaktivistinnen die Tradition des Kampfes von unten fort. Im Jahr 1983 gründete sich in mehreren wichtigen Städten der USA eine neue Organisation, die American Disabled for Accessible Public Transit (ADAPT), um auf die Barrieren in den öffentlichen Verkehrsmitteln für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen aufmerksam zu machen. Schnell wurde die Gruppe bekannt für ihre konfrontativen und oft erfolgreichen Taktiken. Zum Beispiel störte sie wiederholt die Tagungen der American Public Transit Association, um gegen deren Weigerung zu protestieren, die öffentlichen Verkehrsmittel barrierefrei zugänglich zu machen. Bei den Protesten kam es zu Massenverhaftungen. In ihren symbolischen Protesten zeigten sie auch eine Vorliebe für dramatische Inszenierungen, zum Beispiel, wenn sie sich kriechend und krabbelnd viele Stufen hinaufbewegten, um in öffentliche Gebäude zu gelangen, um auf deren Unzugänglichkeit aufmerksam zu machen.55 Es ist nicht überraschend, dass gemäßigtere Behindertenorganisationen ADAPT gemieden oder sogar angegriffen haben. Mehrere IL-Zentren in Michigan gingen sogar so weit, die Aktionen von ADAPT in einem Brief an den Gouverneur des Bundesstaates zu verurteilen.56 In jüngerer Zeit fokussiert sich ADAPT darauf, eine bessere Finanzierung für ein Assistenzprogramm zu erreichen, durch welches behinderte Menschen mitten in ihrer Gemeinschaft leben und so einem Leben in einer geschlossenen Institution entkommen können sollen.
Letztendlich muss man aber sagen, dass sich selbst die basisdemokratischsten, radikalsten Behindertenorganisationen in den USA und Großbritannien in ihrer Theorie und in ihrer Ideologie unklar und uneindeutig positionieren. Sie müssen noch zu einer antikapitalistischen Position gelangen, die Behinderung als ein Produkt der Klassengesellschaft versteht. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien raubt das Inkrafttreten von Gesetzen zum Schutz der Rechte behinderter Menschen, welches im Kern ein individualistisches Konzept ist, sogar den militantesten Behindertenrechtsorganisationen ein Element der Kohärenz ihrer politischen Praxis. Wenn sie nicht in der Lage sind, zu erkennen, was sie mit anderen marginalisierten Gruppen in der Gesellschaft verbindet, (zum Beispiel mit der Reservearmee der Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängerinnen, dem immer größeren Teil der Gesellschaft, der in Teilzeitjobs oder in Jobs, die unterbezahlen, arbeitet, sowie mit anderen Gruppen) könnte das Versprechen der vielen Behindertenbewegungen verspielt werden und in Identitätspolitik enden – oder, schlimmer noch, in postmodernem Diskurs, dessen Theoretikerinnen sich weigern, den Kapitalismus als eine Ursache ihrer Unterdrückung zu benennen. Eine Wende hin zu Klassenpolitik und historischem Materialismus – bei vollem Bewusstsein über dessen Risiken und Grenzen – ist das, was die Behindertenbewegung am meisten braucht.
Die Bürgerrechtssackgasse
Auch, wenn es widersprüchlich erscheinen mag, dass ein republikanischer US-Präsident (schließlich repräsentieren die Republikaner die reaktionäre Stimme des Kapitals) den Americans with Disabilities Act (ADA) von 1990 verabschiedet hat,57 sind die Ziele des ADA komplett vereinbar mit neoliberaler Politik und Politik des Dritten Weges, in der es vor allem darum geht, Abhängigkeiten zu beenden und Produktivität zu erhöhen. Durch ein Zusammenlaufen von neoliberalen und Dritter-Weg-Diskursen entstand das Mantra „Rechte beinhalten Verantwortung“. In beiden Diskursen ist die supply-side theory verbreitet, die besagt, dass die Wirtschaft durch rigide Arbeitsmärkte und zu großzügige Sozialhilfeprogramme belastet wird. In diesem Sinne erklärte Präsident Clinton die „Ära großer Regierungseinmischung“ für beendet und verlangte nach „mehr Empowerment, weniger Ansprüche“. Es gibt ein großes Interesse an Politik, die Langzeitarbeitslose und benachteiligte Personen auf den Arbeitsmarkt zwingt. Diese Politik wird im ADA selbst betont. Der Kongress hat drei spezifische Ziele im ADA benannt: 1. arbiträre Barrieren, mit denen behinderte Menschen konfrontiert sind, beseitigen. 2. Chancenungleichheit beseitigen und 3. unnötige Abhängigkeit und unverwirklichte Produktivität reduzieren. Der ADA fördert die Inklusion behinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt durch ein Gesetz in der Verfassung und Regulierungen, die für behinderte Bewerberinnen „Chancengleichheit“ auf dem Arbeitsmarkt schaffen sollen, indem die „Wettbewerbsbedingungen angeglichen werden“ und vorausgesetzt wird, Barrieren am Arbeitsplatz zu beseitigen, es sei denn, dies stellt eine „unangemessene Belastung“ für das Unternehmen dar58 – wodurch sich der „Anspruch“ auf Anpassungen und Barrierefreiheit in Luft auflöst und gar kein Anspruch mehr ist. Anders gesagt: die Quasi-Bürgerrechte behinderter Menschen werden von den Republikanern, die immer gegen staatliche Regulierungen sind, nur solange toleriert, solange der Americans with Disabilities Act die Regierung fast nichts kostet, für Unternehmen hauptsächlich eine freiwillige Entscheidung ist (keine Quotenregelungen), und dazu führt, dass weniger Menschen staatliche Sozialhilfegelder bekommen.59
Obwohl Bürgerrechte behinderter Menschen in Großbritannien noch etwas relativ Neues sind, ist der Premierminister Tony Blair sogar noch weiter gegangen. „Neue Gesetze, um erwerbslosen Menschen Jobs und Training anzubieten, sind eine sozialdemokratische Priorität – aber wir erwarten auch von allen, die angebotene Chance wahrzunehmen,“ sagt Blair. Diesen Aussagen folgten bald offizielle Briefe an behinderte Menschen, in denen diese unter der Drohung, ansonsten ihren Anspruch auf Sozialhilfe zu verlieren, dazu aufgefordert wurden, sich Arbeit zu suchen. Die Zeitung The Independent berichtet, dass „unter einem harten neuen Regierungskurs, um ‚Abhängigkeit von Sozialhilfe‘60 zu reduzieren, kranke und behinderte Menschen, die sich weigern, sich Arbeit zu suchen, keine Sozialhilfe mehr bekommen sollen“. Sowohl in Großbritannien als auch in den USA wird das Problem der erhöhten Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen immer häufiger als ein Abhängigkeitsproblem definiert, welches das mangelhafte Individuum, das auf Sozialhilfe angewiesen ist, überwinden muss, anstatt es als das strukturelle Ergebnis eines exkludierenden Marktes zu sehen.
Es ist nicht überraschend, dass der neoliberale Plan in den USA nicht funktioniert hat. Im Jahre 2000, 10 Jahre nach der Verabschiedung des ADA, liegt die Arbeitslosenquote der behinderten Bevölkerung bei unveränderten 65-71 Prozent,61 trotz einer wachsenden Wirtschaft in den USA und einer allgemeinen offiziellen nationalen Arbeitslosigkeitsrate von 4,2 Prozent. Einer neueren Studie nach ist die Beschäftigungsrate behinderter Männer und Frauen immer weiter gesunken und liegt daher immer noch unter dem Niveau von 1992, während viele nichtbehinderte US-Amerikaner durch die Wirtschaft, die in sieben Jahren wirtschaftlichen Wachstums (1992 bis 1998) eine Rekordzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen hat, höhere Einkommen erzielt haben.62 Bürgerrechtsgesetze haben nicht auf die Art und Weise die Beschäftigungsrate, Lohntarife oder Arbeitsplätze für behinderte Menschen erhöht, wie es Befürworterinnen erwartet hatten.63 Statistiken zeigen, dass sich seit der Verabschiedung des ADA finanziell nichts für behinderte Menschen verbessert hat. Im Jahre 1989 lebten 28,9 Prozent der behinderten Menschen im erwerbsfähigen Alter in Armut, im Jahre 1994 30 Prozent.64 Manche Experten gehen davon aus, dass es sich bei dem Gesetz um einen „Kompromiss handelt, der scheitert“65 und „am wenigsten denjenigen hilft, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind“.66 Andere Studien bestätigen dies. Im Jahr 1998 kommt ein Bericht der Equal Employment Opportunity Commission (die die Umsetzung von Antidiskriminierungsgesetzen im Bezug auf Arbeit überwacht) zum Schluss, dass die Umsetzung des ADA zu weiten Teilen gescheitert ist. Unternehmen haben sich dagegen gewehrt, behinderte Menschen einzustellen, indem sie gegen Diskriminierungsvorwürfe geklagt haben. Eine Studie der American Bar Association’s Commission on Mental and Physical Disability Law zeigt, dass es unwahrscheinlich ist, dass behinderte Arbeiterinnen, die gegen Diskriminierung klagen, vor Gericht gewinnen. In 92 Prozent der mehr als 1200 Fälle, die von 1992 bis 1998 vor Gericht landeten, gewannen die Arbeitgeber.67 Bis zum Jahre 2000 war dies dann sogar in 95 Prozent der Fälle so. Eine Rechtsprofessorin in Ohio sagt, dass „nur Anklageverfahren von Häftlingen so schlecht laufen“.68
Im Jahr 2001 sagte George W. Bush, in den ersten 100 Tagen seiner Regierung (sein Vater hatte den ADA verabschiedet), dass „zu viele Amerikaner mit Behinderungen in Abhängigkeitsbürokratien gefangen sind“.69 Dies zeigt klar den Kernwiderspruch, den Behinderung jetzt darstellt: Die herrschende Klasse möchte Leistungen streichen, die dafür notwendig sind, behinderte Menschen in der Arbeitslosigkeit zu halten, doch Umverteilungsgesetze wie der ADA stehen in Konflikt mit den Interessen der Unternehmerklasse, die sich gegen solch eine Verlagerung der Kosten wehrt. Vertreter von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (Unterstützer der GOP) wie die Handelskammer der USA, der Nationale Herstellerverband, der Amerikanische Bankenverband, und die Nationale Vereinigung Unabhängiger Unternehmen waren alle gegen den ADA. Der Ökonom und Vertreter der supply-side theory Paul Craig Roberts warnte am Tage der Unterzeichnung des Gesetzes davor, dass auf Unternehmen „enorme Kosten zukommen, die der Profitmaximierung schaden“ würden.70 Ein führender Ökonom in der Bewegung der Ökonomischen Analyse des Rechts, Richard Epstein, sprach davon, dass es sich bei den beschäftigungspolitischen Bestimmungen des ADA um „versteckte Subventionen“ handeln würde, und dass „eine erfolgreiche Umsetzung unter dem Deckmantel angemessener Barrierefreiheitsanpassungen‘ notwendigerweise den Betrieb und die Effizienz von Unternehmen behindert“.71
Richard Posner, ein selbst ernannter Beschützer von Unternehmensinteressen, unterzog den ADA einer Kosten-Nutzen-Analyse:
„Wenn die Arbeitgeber der Nation uneingeschränkte finanzielle Verpflichtungen gegenüber 43 Millionen behinderten Menschen haben, wird der Americans with Disabilities Act indirekt eine Steuer aufgedrängt haben, die möglicherweise höher ausfällt als die Staatsschulden. Diese Intention, ein radikales Ergebnis zu erbringen, lässt sich weder aus der Sprache noch aus der Geschichte des ADA herleiten. Die Präambel ‚verkauft‘ im Gegenteil dieses Gesetz sogar als kostensparend, das „Milliarden Dollar unnötiger Ausgaben‘ einsparen solle, die ‚aus Abhängigkeit und Unproduktivität‘ resultieren. Dieses Sparen wird sich als Illusion herausstellen, wenn Arbeitgeber dazu gezwungen werden, viel mehr Milliarden Dollar für Anpassungen zur Barrierefreiheit auszugeben, als sie dadurch erwirtschaften würden, behinderte Menschen das Arbeiten zu ermöglichen und diese einzustellen.“72
Die Kosten-Nutzen-Rechnung (sei sie real oder imaginiert) widerspricht den Erwartungen der Vertreter der Unternehmerklasse in Bezug auf den ADA. Diejenigen, die glauben, dass liberale Bürgerrechte die Lösung für das Arbeitslosigkeitsproblem behinderter Menschen sind, sind mit dem Problem konfrontiert, dass Gleichbehandlung innerhalb des Kapitalismus im Widerspruch zu makroökonomischen Realitäten steht. Arbeitslosigkeit ist ein fester Bestandteil jeder kapitalistischen Ökonomie. Bürgerrechte sind zwar notwendig, um gegen individuelle diskriminierende und vorurteilsbehaftete Handlungen vorzugehen, haben jedoch (wenn sie überhaupt umgesetzt werden) nur die Macht, das Problem der Arbeitslosigkeit, geringer Einkommen und der Lohnungleichheit willkürlich in der Bevölkerung zu verteilen.73 Bürgerrechte sind nicht in der Lage, die materiellen Bedürfnisse aller Menschen zu stillen. Gibt es tatsächlich soziale Gerechtigkeit, wenn man bürgerliche liberale Mittel anpreist, die zwar vielleicht manche, aber nicht alle behinderten Menschen von Unterdrückung befreien können? Liberale Antidiskriminierungsgesetze können die systematische Arbeitslosigkeit nicht beenden und individuelle Rechte können sich nicht über die ökonomische Struktur hinwegsetzen. Weder der Markt noch Antidiskriminierungsgesetze können den Ausschluss behinderter Menschen aus der Arbeiterschaft beenden. Unternehmen haben sowohl legal als auch politisch die Legitimation erhalten, die notwendig ist, um Millionen von Menschen im Namen der Leistungsfähigkeit auf dem Markt aus der Arbeiterschaft auszuschließen.74 Nicht die (unerreichbare) Barrierefreiheit und Anpassung von Behinderungen unter einem liberalen Modell von Bürgerrechten, sondern die radikale Veränderung und Transformation dieser Realität, muss zweifellos ein Ziel jeder sozialistischen Praxis sein, die diesen Namen verdient.
Nachwort: Jenseits von Arbeit
Wie kann also Behindertenpolitik dabei helfen, kapitalistische Ausbeutung zu beenden? Auch wenn eine volle Beantwortung dieser Frage jenseits des Rahmens dieser Arbeit liegt, werden wir versuchen, zum Nachdenken anzuregen. Oliver, zum Beispiel, sagt: „Wenn das Spiel in besitzergreifendem Individualismus in einer kompetitiven und ungleichen Gesellschaft besteht, sind beeinträchtigte Menschen zwangsläufig benachteiligt, egal, wie sehr man die Spielregeln verändert.“75 Finkelstein erkennt an, dass eine Gesellschaft durchaus willens sein kann, einen Teil ihrer beeinträchtigten Bevölkerung in die Arbeiterschaft mit aufzunehmen, wendet aber ein, dass dies dazu führen kann, dass die Übriggebliebenen weiterhin und möglicherweise verstärkt und auf intensivere Art und Weise gesellschaftlich ausgeschlossen werden.76 Tatsächlich hat der ehemalige US-Präsident Clinton einmal gesagt, dass das Einbeziehen behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt ein Werkzeug zur Bekämpfung von Inflation sein kann.77 Abberley bringt ein, dass jede Vorstellung von Utopie, deren Zentrum die Produktion ist, aufgegeben werden muss: „Selbst in einer Gesellschaft, die tiefgreifende und ernstgemeinte Versuche unternimmt, beeinträchtigte Menschen in die Arbeitswelt zu integrieren, würden manche beeinträchtigte Menschen weiterhin durch ihre Beeinträchtigung aus dieser ausgeschlossen werden.“78
Muss jedoch die Fähigkeit, auf eine sozial anerkannte Weise zu arbeiten, die Voraussetzung zur vollen Teilhabe und Mitgliedschaft in der Gesellschaft sein? In einer Gesellschaft, die auf Arbeit basiert, ist Produktivismus die „normale“ Aktivität. Eine radikale Behindertenperspektive könnte großes Befreiungspotenzial bieten, wenn sie vorschlägt, diese Normalität abzuschaffen und gesellschaftliche Werte anzustreben, die im Gegensatz zum Produktivismus stehen. Ist Arbeit die wichtigste Eigenschaft unseres Wertes als Menschen? Arbeitsmarktfähigkeit, Eignung zum Geldverdienen, und sogar Arbeit, zu der man sich in seiner Freizeit entscheidet, sind nicht a priori das Maß dessen, was es bedeutet, zu leben und Teil der Menschheit zu sein.
Außerdem ermöglicht eine gegenhegemoniale behindertenpolitische Praxis, die den Produktivismus herausfordert, Allianzen mit vielen anderen Gruppen, die vom einschränkenden Diktat der Marktwirtschaft ebenfalls marginalisiert werden. Dazu gehören zum Beispiel alleinerziehende Mütter, Sozialhilfeempfängerinnen, Teilzeitbeschäftigte, Teile der Bevölkerung in den Gefängnissen, und all jene, die aus unterschiedlichen Gründen keinen für ihren Lebensunterhalt ausreichenden Lohn bekommen. Das Fördern der Solidarität unter denjenigen, die vom Produktivismus unterdrückt werden, kann in der Tat die Behindertenbewegungen bereichern und die Chancen erhöhen, reformistische Ziele physischer und struktureller Barrierenbeseitigung zu erreichen, während man gleichzeitig das langfristige Ziel ökonomischer Transformation verfolgt. Was ist letztendlich die Alternative? Eugenik, Sterilisierung, Euthanasie und Sterbehilfe sowie das Abschotten beeinträchtigter Menschen und anderer in geschlossene Institutionen – all das waren Antworten produktivistischer Gesellschaften darauf, wie mit den „Unproduktiven“ zu verfahren sei. Wenn das Ziel sozialer Gerechtigkeit ist, die Würde jedes Menschen zu wahren, dann dient der vor allem von den Kapitalisten in der Gesellschaft verbreitete Glaube daran, dass Arbeit unsere Selbstachtung bestimmt oder eine Bedingung für die Zugehörigkeit zur Menschheit ist – dass Menschen zuallererst Arbeiterinnen, und dann erst Menschen sind — der Unterdrückung von uns allen.
Zuerst veröffentlicht von www.merlinpress.co.uk in socialistregister.com. Wir danken Prof. Ravi Malhotra und dem Verlag dafür, die Veröffentlichung unserer Übersetzung genehmigt zu haben.
- UPIAS, Fundamental Principles of Disability, London: Union of the Physically Impaired Against Segregation, 1976, S. 3. ↩︎
- Michael Oliver ist Urheber dieses Begriffs. Siehe sein Werk Politics of Disablement, New York: St. Martin’s Press 1990. ↩︎
- International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps: A Manual of Classification Relating to the Consequences of Disease, Geneva: World Health Organization, 1980, S. 29. ↩︎
- Colin Barnes, Geof Mercer & Tom Shakespeare, Exploring Disability: A Sociological Introduction, Cambridge: Polity Press, 1999, S. 25. ↩︎
- Harlan Hahn, ‘An Agenda for citizens with disabilities: pursuing identity and empowerment’, Journal of Vocational Rehabilitation, 9, 1997 (Erklärung des Minderheitenmodells), p.34; Nirmala Erevelles, ‘Disability and the Dialectics of Difference’, Disability & Society, Vol. 11, No. 4, 1996, S. 522 (Erklärung der Grenzen des liberalen Konzepts). ↩︎
- Marta Russell, ‘Disablement, Oppression and Political Economy’, Journal of Disability Policy Studies, 2001. ↩︎
- Edward Yelin und Patricia Katz, ‘Making Work More Central to Work Disability Policy’, Milbank Quarterly, 72, 1994; R.L Bennefield and John M. McNeil, ‘Labor Force Status and Other Characteristics of Persons with a Work Disability: 1981 to 1988’, Current Population Reports, Series P-23, No. 160, Washington, DC: U.S. Bureau of the Census, 1989. ↩︎
- Louis Harris & Associates/National Organization on Disability, ‘Americans with Disabilities Still Face Sharp Gaps in Securing Jobs, Education, Transportation, and in Many Areas of Daily Life’, 1998. Online verfügbar auf http://www.nod.org/presssurvey.html (visited Feb. 12, 2001). ↩︎
- United States Current Population Survey, U.S. Census Bureau, Current Population Survey (March 1998). http://www.census.gov/hhes/www/disable/disabcps.html (besucht am April 27, 2001). ↩︎
- Louis Harris, The 2000 National Organization on Disabilities/Harris Survey of Americans with Disabilities, New York: Louis Harris and Associates, 2000. ↩︎
- Ibid. ↩︎
- James I. Charlton, Nothing About Us Without Us: Disability Oppression and Empowerment, University of California Press, 1998, S. 45. ↩︎
- Victor Finkelstein, Attitudes and Disabled People, New York: World Rehabilitation Fund, 1980, S. 8. ↩︎
- Der Fokus liegt hier notwendigerweise auf europäischen feudalen Gesellschaften. Eine Thematisierung präkapitalistischer asiatischer Gesellschaften und der Politik des Behindertwerdens liegt außerhalb des Rahmens dieses Artikels. ↩︎
- Joanna Ryan und Frank Thomas, The Politics of Mental Handicap, London: Penguin, 1980, S. 101. ↩︎
- Finkelstein, Attitudes, S. 8. ↩︎
- Pauline Morris, Put Away, London: Routledge & Kegan Paul. 1969, S. 9. ↩︎
- Russell, ‘Disablement, Oppression and Political Economy’. ↩︎
- Finkelstein, Attitudes, S. 10; Oliver, Politics, S. 28. ↩︎
- David Pfeiffer, ‘Overview of the Disability Movement: History, Legislative Record, and Political Implications’, Policy Studies Journal, Vol. 21(4), 1993, S. 726; Joseph Shapiro, No Pity: People with Disabilities Forging a New Civil Rights Movement, New York: Random House, 1993, S. 158-60. ↩︎
- Colin Barnes, Disabled People in Britain and Discrimination, Hurst & Co., 1991, S. 19. ↩︎
- Ibid. ↩︎
- Siehe Robert J. Lifton, The Nazi Doctors, Medical Killing and the Psychology of Genocide, New York, Harper Collins, 1986, S. 45-133; Robert Proctor, Racial Hygiene: Medicine Under the Nazis, Cambridge: Harvard University Press, 1988, S. 185-94; Hugh Gallagher, By Trust Betrayed: Patients, Physicians and the License to Kill in the Third Reich, New York: Henry Holt, 1990; and Henry Friedlander, The Origins of Nazi Genocide: From Euthanasia to the Final Solution, Chapel Hill: University of North Carolina Press, S. 39-165. ↩︎
- Pfeiffer, ‘Overview’, S. 726; Marta Russell, Beyond Ramps: Disability at the End of the Social Contract, Maine: Common Courage Press, 1998, S. 46-47, 61. ↩︎
- Gunnar Broberg and Nils Roll-Hansen, eds., Eugenics and the Welfare State: Sterilization Policy in Denmark, Sweden, Norway, and Finland, Michigan State University Press 1996; Mathew Thomson, The Problem of Mental Deficiency: Eugenics, Democracy, and Social Policy in Britain c. 1870-1959, Oxford: Clarendon Press, 1998; and Sandra A. Goundry, Final Recommendations to the Royal Commission on New Reproductive Technologies, Winnipeg: Canadian Disability Rights Council, 1992, S. 15. ↩︎
- J. Harris, B. Sapey, and J. Stewart, ‘Blairface: Third-Way Disability and Dependency in Britain’, Disability Studies Quarterly, Vol. 19(4), 1999, S. 365; Oliver, Politics, S. 104-5. ↩︎
- Andre Gorz, Reclaiming Work: Beyond the Wage-Based Society, Cambridge, UK: Polity Press, 1999, S. 4. ↩︎
- Edward Berkowitz, Disabled Policy, America’s Programs for the Handicapped, Cambridge University Press, 1987, S. 49. ↩︎
- H.S Erlanger, and W. Roth, ‘Disability Policy: the Parts and the Whole’, American Behavioral Scientist, 28 (3), 1985, S. 319-45. ↩︎
- Deborah Stone, The Disabled State, Philadelphia: Temple University Press, 1984, S. 179. ↩︎
- Marta Russell, ‘The Political Economy of Disablement’, in Marc Breslow, Ellen Frank, Cynthia Peters, and the Dollars & Sense Collective, eds., Real World Micro, 9th edition, Cambridge, MA: Economic Affairs Bureau, Inc., 2000, S. 94-7. ↩︎
- Russell, ‘Disablement, Oppression and Political Economy’. ↩︎
- Marta Russell, ‘Backlash, the Political Economy, and Structural Exclusion’, Berkeley Journal of Employment & Labor Law, February 2000, S. 349. ↩︎
- Goodwill und andere Not-for-Profit-Arbeitgeber sind dafür bekannt, viel weniger als den Mindestlohn zu zahlen, aber Daten von John McNeil aus dem Census Bureau zeigen generell eine negative Beziehung zwischen Löhnen und Behinderung und Arbeit im Allgemeinen. Im Jahre 1995 verdienten Arbeiterinnen mit Behinderungen in Teilzeitbeschäftigung (behinderte Menschen arbeiten mit höherer Wahrscheinlichkeit in Teilzeit) im Durchschnitt nur 72,4 Prozent dessen, was nicht-behinderte Arbeiterinenn im Jahr verdienten. H. Stephen Kaye, ‘Is the Status of People with Disabilities Improving’, Disability Statistics Abstract, (Disability Statistics Center, San Francisco, Cal), May 1998, S. 2. ↩︎
- Russell, ‘Structural Exclusion’, S. 349. ↩︎
- John McNeil, Americans with Disabilities: 1994-95, Washington, DC: Bureau of the Census, 1997. http://www.blue.census.gov/hhes/www/disable/sipp/disab9495/oldasc.htm. ↩︎
- Russell, ‘Disablement, Oppression and Political Economy’. ↩︎
- Die Armutsrichtlinie in den USA liegt für eine Person bei 8,350 US-Dollar (FY2000). Da eine behinderte Arbeiterin im Durchschnitt monatlich 759 Dollar aus der Social Security Disability Insurance (SSDI) erhält, und das durchschnittliche Einkommen für das bedürfnisbasierte Supplemental Security Income (SSI) 373 Dollar beträgt, liegt das jährliche Einkommen von über 10 Millionen behinderten Menschen, die diese Programme in Anspruch nehmen, zwischen 4000 und 10.000 US-Dollar. Die extrem niedrig angesetzte Unterstützung durch das SSI wurde für diejenigen ohne vorliegende Arbeitserfahrung oder ohne genug Vierteljahre Arbeitserfahrung geschaffen, um sich für die SSDI zu qualifizieren, also für die am wenigsten wertgeschätzten behinderten Mitglieder der Gesellschaft. ↩︎
- Russell, Beyond Ramps, S. 81-83. ↩︎
- Gary Albrecht, The Disability Business, London: Sage, 1992. ↩︎
- Russell, Beyond Ramps, S. 96-108. ↩︎
- Charlton, Oppression, S.46. ↩︎
- H. Radice, ‘Taking Globalisation Seriously’, Socialist Register 1999, S. 1-28. ↩︎
- Karl Polanyi, The Great Transformation. The Political and Economic Origins of Our Time, Boston: Beacon Press, 1944, S. 70-71. ↩︎
- B. Epstein, ‘The Marginality of the American Left: The Legacy of the 1960s’, Socialist Register 1997, S. 146-53. ↩︎
- Es gibt mehrere, unterschiedliche und voneinander scharf trennbare soziale Bewegungen rund um das Thema Politik des Behindertwerdens, darunter die Bewegung für die Rechte körperlich behinderter Menschen, die Bewegung für die Rechte psychiatrisch betroffener Menschen, die Bewegung blinder Menschen und andere. ↩︎
- T. Fagan and P. Lee, ‘‘New’ Social Movements and Social Policy: A Case Study of the Disability Movement’, in M. Lavalette and A. Pratt, eds., Social Policy: A Conceptual and Theoretical Introduction, Sage Publications, 1997, S. 140-60; H. Meekosha and A. Jakubowicz, ‘Disability, Political Activism, and Identity Making: A Critical Feminist Perspective on the Rise of Disability Movements in Australia, the USA and the UK’, Disability Studies Quarterly, vol. 19(4), 1999, S. 393. ↩︎
- Oliver, Politics, S. 114-5. ↩︎
- Tom Shakespeare, ‘Disabled People’s Self-Organisation: a New Social Movement?’, Disability, Handicap and Society, vol. 8(3), 1993, S. 260. ↩︎
- Charlton, Oppression, S. 138. ↩︎
- Fagan and Lee, Social Movements. ↩︎
- Shapiro, No Pity, S. 63-4; Paul Longmore and David Goldberger, ‘Political Movements of People with Disabilities: The League of the Physically Handicapped, 1935-1938’, Disability Studies Quarterly, Vol. 17, No. 2, 1997, S. 94-8. ↩︎
- Shapiro, No Pity, S. 58. ↩︎
- Ibid., S. 64-70. ↩︎
- Ibid., S. 127-39. ↩︎
- Charlton, Oppression, S. 122. ↩︎
- Der ADA verbietet Arbeitgebern, aufgrund von Behinderung zu diskriminieren. Um Diskriminierung vorzubeugen, müssen angemessene Barrierefreiheitsmaßnahmen für qualifizierte Arbeitnehmer oder Bewerber mit Behinderungen zur Verfügung gestellt werden. ↩︎
- Siehe 29 C.F.R. Sec. 1630.2(o)(1) (1999). ↩︎
- Russell, Beyond Ramps, S. 112-4. ↩︎
- Paul Waugh and Sarah Schaefer, ‘Disabled Told To Seek Work Or Lose Benefits’, The Independent, 27 November 2000. ↩︎
- Bei der Recherchephae vor der Verabschiedung des ADA fand der Kongress heraus, dass “zwei Drittel aller behinderten Amerikaner und Amerikanerinnen zwischen 16 und 64 überhaupt nicht arbeiten”. Hearing on H. R. 2273, The Americans with Disabilities Act of 1989: Joint Hearing before the Subcommittee on Select Education and Employment Opportunities of the House Committee on Education and Labor, 101st Cong., 1st Sess. (July 18 & Sept. 13, 1989) (two hearings). S. Rep. No. 101-16, at 9. ↩︎
- Peter Budetti, Richard Burkhauser, Janice Gregory, & H. Allan Hunt, Ensuring Health and Security for an Aging Workforce, W.E. UpJohn Institute for Employment Research, 2001. ↩︎
- Walter Y. Oi, Employment and Benefits for People with Diverse Disabilities. Disability, Work and Cash Benefits, Michigan: W.E. Upjohn Institute for Employment Research, 1996, S. 103.; S.A. Moss and D.A. Malin, Note, ‘Public Funding for Disability Accommodations: A Rational Solution to Rational Discrimination and the Disabilities of the ADA’, Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review, vol. 33, 1998, S. 197-8. ↩︎
- Stephen H. Kaye, ‘Is the Status of People with Disabilities Improving?’, Disability Statistics Abstract, San Francisco: Disability Statistics Center, May 1998, S. 2. ↩︎
- Sue A. Krenek, Note, ‘Beyond Reasonable Accommodation’, Texas Law Review, Vol. 72, 1994, S. 1969. ↩︎
- Marjorie Baldwin, ‘Can the ADA achieve its employment goals?’, Annals American Academy of Political & Social Science, 549, January 1997, S. 52. ↩︎
- ‘Study Finds Employers Win Most ADA Title I Judicial and Administrative Complaints’, Mental and Physical Disability Law Reporter, Vol. 22, May-June 1998, S. 403, 404 and May-June 2000. ↩︎
- Ruth Colker, ‘The Americans with Disabilities Act: A Windfall for Defendants’, Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review, 34, 1999, S. 100. ↩︎
- George W. Bush, New Freedom Initiative at http://washingtonpost.com/wp-srv/onpolitics/elections/bushtext020101.htm ↩︎
- Robert Shogun, ‘Halt Bush’s Tilt to Left, Conservatives Tell GOP’, Los Angeles Times, 17 July 1990, S. A26. ↩︎
- Richard Epstein, Forbidden Grounds: The Case Against Employment Discrimination Law, Cambridge, MA: Harvard University Press, 1992, S. 485. ↩︎
- Vande Zande v. State of Wisconsin Department of Administration (ruling for employer-defendant). ↩︎
- Russell, ‘Structural Exclusion’, S. 364 ↩︎
- Russell, ‘Structural Exclusion’, S. 366. ↩︎
- Michael Oliver, ‘A Sociology of Disability or a Disablist Sociology?’ in Len Barton, ed., Disability & Society: Emerging Issues and Insights, New York: Longman, 1996, S. 35. ↩︎
- Victor Finkelstein quoted by Paul Abberley, ‘Work, Utopia and Impairment’, in Barton, ed., Disability & Society, S. 71. ↩︎
- Marta Russell, ‘The New Reserve Army of Labor?’ Review of Radical Political Economics, Vol. 33, No. 2, S. 226. ↩︎
- Abberley, ‘Work, Utopia and Impairment’. S. 71. ↩︎