Zeitschrift für marxistische Debatte und Einheit

Einstaaten- und Zweistaatenillusionen

Der folgende Text basiert auf einem Vortrag von Moshé Machover, der verschriftlicht und zuerst auf Englisch veröffentlicht worden ist. Das englische Original erschien im Weekly Worker am 2. Mai 2024. Der Vortrag wurde bereits am 4. März 2024 online gestellt.

Ich werde nicht abstrakt über einen oder zwei Staaten sprechen: Das heißt, ich sage nicht, dass es zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft zu einer Lösung des Israel-Palästina-Konflikts kommen wird oder dass dies nicht in der Form eines Staates, zweier Staaten oder nach einem anderen Schema geschehen könnte. Stattdessen möchte ich mich mit den sogenannten Einstaaten- und Zweistaatenlösung befassen, wie sie heute präsentiert werden – in der Form, wie sie derzeit von verschiedenen Leuten befürwortet werden. Ich werde argumentieren, dass beides Illusionen sind, allerdings aus verschiedenen Gründen.

Die „Zweistaatenlösung“ ist illusorisch, denn selbst im unwahrscheinlichen Fall ihrer Umsetzung bietet sie keine Lösung des Konflikts. Wenn man sich im Detail anschaut, was vorgeschlagen wird, läuft sie auf eine Fortsetzung des Konflikts hinaus, wenn auch in etwas anderer Form – sowieso ist es aber beinahe unmöglich sich vorzustellen, dass sie umgesetzt wird. Was die „Einstaatenlösung“ angeht, könnten einige ihrer Versionen vielleicht den Konflikt lösen, wenn sie unter den aktuellen Umständen überhaupt umsetzbar wären. Das Problem an ihr ist, dass die aktuellen Umstände ihre Umsetzung nicht erlauben. Es ist aber sinnvoll, zunächst auf drei Punkte einzugehen, ehe der eine oder andere Lösungsvorschlag untersucht wird.

Erstens: Was sind die Minimalbedingungen, die eine Lösung des Konflikts zwischen dem Zionismus und dem palästinensischen Volk erfüllen müsste? Zweitens werde ich etwas über die Natur des Konflikts sagen, was häufig in den Mainstream-Debatten verdeckt bleibt. Und drittens möchte ich auf die Frage der notwendigen Voraussetzungen für eine wirkliche, langfristige Lösung des Konflikts eingehen; darauf, wie eine Lösung errungen werden kann und auf welchem Weg.

Bedingungen

Ich werde zunächst in Kürze eine Art „Minimalprogramm“ formulieren — oder eine Liste von Minimalbedingungen, die darüber Auskunft geben, was als Lösung des Konflikts gelten könnte. Die Minimalbedingungen beinhalten gleiche Rechte für Alle, inklusive gleiche persönliche Rechte, sowie wesentlich auch gleiche nationale Rechte für beide involvierte Gruppen.

Ich möchte klarstellen, welche nationalen Gruppen ich meine, weil gerade dies häufig zu einem Punkt verdeckt wird, wenn über „Juden und Araber“ oder „Juden und Palästinenser“ gesprochen wird. Um deutlich zu sein: Auf der einen Seite haben wir das nationale palästinensische Kollektiv, das heißt die palästinensischen Araber – sowohl diejenigen, die Staatsbürger Israels sind, als auch diejenigen, die Subjekte der israelischen Herrschaft in den besetzten Gebieten von 1967 sind, als auch die Geflüchteten, die sich anderswo aufhalten. Auf der anderen Seite haben wir die hebräische oder sogenannte israelisch-jüdische nationale Gruppe. Ich schließe hier die zionistische Idee aus, dass jüdische Leute überall auf der Welt eine Art nationale Entität ausmachen, die bestimmte Rechte in Israel-Palästina haben sollte. Das ist nicht, was ich mit gleichen Rechten für zwei nationale Gruppen meine.

Ich wiederhole: Die nationalen Gruppen, die Gleichheit genießen sollten in jeder wirklichen Lösung des Konflikts, sind die palästinensisch-arabische nationale Gruppe und die israelisch-jüdische oder hebräischsprachige nationale Gruppe, die aktuell in Israel-Palästina existieren.

Warum bestehe ich auf gleiche Rechte für beide Gruppen? Einfach weil jede Lösung in der einer Gruppe die gleichen Rechte verwehrt bleiben und in der eine Gruppe unterprivilegiert oder von der anderen Gruppe dominiert wird, nicht dauern kann und nicht als Lösung des Konflikts angesehen werden kann. Jede Konfiguration dieser Art würde Widerstand hervorbringen – und der Widerstand würde auf Repression stoßen, wie in der Vergangenheit auch schon gesehen.

Ich zähle zu diesem Minimalprogramm auch das Rückkehrrecht der palästinensischen Geflüchteten in ihre Heimat, aus dem sie während der Nakba vertrieben wurden. Das ist einfach ein elementares Recht das ein grundlegendes Konzept der Gerechtigkeit ist und vom internationalen Recht vorgeschrieben ist: das Recht von Geflüchteten, in ihre Heimat zurückzukehren. Alles, was stark (oder auch nur auf geringe Weise) von diesen Minimalbedingungen abweicht ist einfach nicht akzeptabel als mögliche Lösung des Konflikts. Da alles andere was ich sagen werde auf der negativen Seite liegt – warum sogenannte „Lösungen“, die einen oder zwei Staaten involvieren, illusorisch sind: Wenn wir für etwas Positives einstehen wollen, dann glaube ich, dass es dieses Minimalprogramm sein muss.

Ich glaube nicht dass es aus politischer und bildungsmäßiger Sicht eine gute Idee ist, einfach negativ zu sein und zu sagen, dass dies oder jenes unmöglich ist, sogar wenn es stimmt. Man muss klarmachen, was die Minimalbedingungen zur Lösung des Konflikts sind, und ich glaube dass hier eine einfache Liste von Minimalbedingungen – gleiche Rechte für alle Individuen; gleiche nationale Rechte; und das Recht von Geflüchteten, in ihre Heimat zurückzukehren – das ist, wofür wir positiv einstehen sollten. Alles was unterhalb davon liegt kann einfach nicht als Lösung des Konflikts gelten, egal ob es möglich ist oder nicht.

Natur des Konflikts

Als zweiten Schritt möchte ich etwas über die Natur des Konflikts sagen. Das erfordert zunächst eine Klarstellung, weil hierüber viele Fehldarstellungen kursieren und viel Verwirrung herrscht.

Wenn man sich die Mainstream-Medien anschaut, wird der Konflikt präsentiert als Konflikt zwischen zwei nationalen Gruppen die über irgend ein Gebiet kämpfen, die sozusagen Besitz oder Rechte über ein Stück Land beanspruchen. Eine der Gruppen mag stärker als die andere sein (offensichtlich ist Israel ein Nuklearstaat mit einer formidablen Armee usw., also bei weitem die stärkere der beiden Seiten), doch der Konflikt wird dargestellt als ob er zwischen zwei Nationen wie etwa Frankreich und Deutschland vor nicht so langer Zeit ausgefochten werden würde – oder wie die vielen anderen Territorialkriege der letzten Jahrhunderte. Der Grund warum diese Fehldarstellung so verbreitet ist liegt daran, dass sie oberflächlich gesehen eine gewisse Plausibilität aufweist, da der Konflikt, obwohl er grundsätzlich ein kolonialer ist, wie ich argumentieren werde, insofern einzigartig ist, dass in ihm beide Seiten – die Kolonisatoren und die Kolonisierten – sich als zwei nationale Gruppen herauskristallisiert haben.

Lasst mich erklären, was ich darunter meine: In modernen Zeiten, seit dem Ende der kolonialen Sklaverei, hat es zwei Formen von Kolonisation gegeben. Kautsky nutzte die folgende Terminologie:

Einerseits eine Kolonisation, in der die hauptsächliche Arbeitskraft, die Hauptproduzenten, aus der indigenen Bevölkerung bestand und in der die Ökonomie auf ihrer Ausbeutung beruhte. Kautsky nannte dies eine „Ausbeutungskolonie“, im Stil der Kolonien die hauptsächlich in Afrika gegründet und dann aufgegeben wurden. Die letzte Kolonie dieser Art, die dekolonisiert worden ist, ist Südafrika. Sie stellen Beispiele dar, in denen die Siedler ihre politische Ökonomie auf der Ausbeutung indigener Arbeit errichteten.

Die andere Form, für die Australien ein offensichtliches Beispiel darstellt, ist eine koloniale Situation, in der die hauptsächlichen und direkten Produzenten die Siedler selbst sind: Das heißt, dass die koloniale politische Ökonomie auf der eigenen Arbeit eines Teils der Siedler basiert. Kautsky nannte diese Form eine „Arbeitskolonie“, doch seine Terminologie basiert darauf, was die Siedler taten: sie arbeiteten tatsächlich und stellten die hauptsächliche Arbeitskraft dar. Ich bevorzuge den Begriff „Ausschlusskolonie“, weil er sich auf das konzentriert, was die Siedler der indigenen Bevölkerung antaten: sie schlossen sie aus.

In dieser Form der Kolonie war die indigene Bevölkerung einfach überflüssig aus der Sicht der Erfordernisse. Sie wurden nicht gebraucht, sie wurden als störend angesehen und wurden in einigen dieser Orte komplett oder fast komplett vernichtet (etwa in Tasmanien). Soweit ich weiß gibt es kein Beispiel für eine Ausbeutungskolonie, in der die Siedler selbst eine neue Nation gründeten. Früher oder später wurde das Gebiet entweder dekolonisiert und die Siedler wurden entfernt – wie etwa in Algerien, wo die französischen Siedler zurück in ihre Metropole kehrten und kaum jemand in der Kolonie blieb; oder sie integrierten sich mit der indigenen Bevölkerung. Dies geschah in vielen Orten, besonders in Lateinamerika: beispielsweise in Brasilien, das teilweise eine sklavenbasierte Kolonie war, aber auch auf indigene Arbeit basierte.

Die generelle Regel ist, dass dort, wo es eine Ausschlusskolonie gab, wie in Australien oder Nordamerika, die Siedler eine neue Nation schufen. Doch in jedem Fall außer in Palästina stellte die indigene Bevölkerung keine eigene nationale Gruppe dar. Wenn man sich beispielsweise die Situation in Australien anschaut, bestand die indigene Bevölkerung aus einer großen Zahl von Gruppen mit verschiedenen Sprachen – sicherlich nichts, was ansatzweise einer einzelnen Nation gleichkäme – und dasselbe war in Nordamerika der Fall.

Am nächsten an das, was in Palästina geschah, ist Neuseeland, wo die indigene Bevölkerung eine gemeinsame Sprache hatte. Ich bin kein Experte neuseeländischer Geschichte, aber soweit ich weiß hatte die indigene Bevölkerung zwar eine gemeinsame Sprache, aber sie stellten nicht so etwas wie eine einzelne Nation dar, wie sie in modernen Staaten anzutreffen sind.

Der einzige Fall, in dem nicht nur die Siedler eine neue Siedlernation (wie in Australien, Nordamerika usw.) gründeten, sondern wo auch die indigene Bevölkerung eine Nation gründeten, ist Palästina. Ich werde hier nicht darauf eingehen, warum das der Fall ist: Ich möchte einfach konstatieren, dass dies offensichtlich geschehen ist. Aufgrund dieser einzigartigen Situation – wo sowohl die Siedler als auch die indigene Bevölkerung eine neue Nation schufen – erschien der koloniale Konflikt als ein binärer nationaler Konflikt: eine Nation gegen die andere. Nichtsdestotrotz ist dies nur seine oberflächliche Erscheinungsweise.

Er ist kein symmetrischer Konflikt zwischen zwei nationalen Gruppen, doch er ist – wenn man sich die tatsächliche Geschichte und die Natur des Konflikts anschaut, wie er sich in den letzten 120 entfaltet hat – eindeutig ein Konflikt zwischen Kolonisatoren und einem indigenen Volk, der die missverständliche Form eines binären nationalen Konflikts angenommen hat. Ich glaube dass es sehr wichtig ist, dies zu berücksichtigen, wenn darüber gesprochen wird, was als mögliche Lösung des Konflikts gelten könnte.

Welchen Schluss ziehen wir aus dieser Klärung der Natur des Konflikts? Da er kolonialer Natur ist, kann seine Lösung nur die der Dekolonisierung sein: wir sollten also im Rahmen dieser Begriffe auf den Konflikt blicken. Ich empfehle diesbezüglich einen Artikel, den ich für den Weekly Worker geschrieben habe: „The decolonisation of Palestine“, der einige der Gedanken, die ich hier vortragen werde – inklusive die Frage nach der Einzigartigkeit der Natur dieses Konflikts – ausführlicher behandelt.

Zwei Staaten

Ich möchte nun die zwei „Lösungen“ behandeln, die vorgeschlagen werden – zunächst die Zweistaatenlösung.

Eine der vielen Sachen, die an ihr falsch ist, ist gerade, dass sie den Konflikt auf einer oberflächlichen Ebene adressiert, als Konflikt zwischen zwei nationalen Gruppen: Lasst sie beide jeweils ihren eigenen Staat haben und das wird den Konflikt lösen. Selbstverständlicherweise basiert das auf einer falschen Wahrnehmung der wirklichen Natur des Konflikts. Ebenfalls ist es eine Lösung, die in der Praxis buchstäblich unmöglich umzusetzen ist. Der Zionismus ist ein work in progress, der auf dem Anspruch des zionistischen Regimes (das in das zionistische Kolonialprojekt eingebettet ist) basiert, die Kolonisierung Palästinas zu vollenden.

Die Zionisten erheben den Anspruch auf das gesamte Gebiet Palästinas – wenigstens vom Mittelmeer bis zum Jordan. Das gilt für beide Hauptlager der zionistischen Bewegung: für den ursprünglich von Ben-Gurion angeführten sogenannten „Arbeiterzionismus“, der mittlerweile in die Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist, sowie für den revisionistischen Zionismus Zeev Jabotinskys, der aktuell die herrschende Macht in Israel darstellt. Beide beanspruchten für das jüdische Volk – nach ihrer Logik – die Gesamtheit des palästinensischen Territoriums zwischen Mittelmeer und Jordan, nur dass die rechten, revisionistischen Zionisten auch Land jenseits vom Jordanfluss beanspruchten – Gebiete also, die zwischen 1921 und 1946 zum Emirat von Transjordanien (Ostjordanland) und heute zum Königreich Jordanien gehören. Grundsätzlich sahen sich die revisionistischen Zionisten dazu berechtigt, auch den transjordanischen Teil dessen zu kolonisieren, was Palästina genannt wurde, bis Churchill es aufteilte in das Westjordanland, unter dem britischen Mandat, und das transjordanische Palästina als separates Protektorat.

Aus dieser Sichtweise ist das zionistische Projekt weiterhin ein work in progress, das in neue Gebiete dringt durch Israels Kolonisierung der West Bank; und die vorgeschlagene Kolonisierung des Gazastreifens ist Teil dieses Projekts. Eine Situation also, in der Juden den ganzen Raum zwischen Jordan und Mittelmeer besiedeln. Von diesem Zweck aus gesehen ist Israel nicht einfach ein Produkt der zionistischen Kolonisierung, sondern ein Instrument, ein Mittel zur weiteren Extension und Expansion. Israel hat auf erbitterte Weise die West Bank kolonisiert, und zwar sowohl unter Regierungen die vom Arbeiterzionismus dominiert wurden, also auch unter den Nachfolgern des revisionistischen Zionismus.

Zeitgleich hat Israel auf unehrliche Weise immer wieder über die Umsetzung einer Zweistaatenlösung verhandelt, als Reaktion auf den Druck der sogenannten „internationalen Gemeinschaft“, was im Grunde genommen nichts anderes ist als die USA und ihre Verbündeten. Unter dem Arbeiterzionismus bestand die Taktik darin, an Verhandlungen teilzunehmen, und sie ins Unendliche hinauszuziehen, indem eine Bedingung nach der anderen aufgestellt wurde, um jede Art von Übereinkunft über eine Zweistaatenlösung hinauszuzögern und zu verhindern. Verglichen worden ist das mit zwei Leuten, die darüber diskutieren, wie sie eine Pizza aufteilen sollen, während der Eine ein Pizzastück nach dem anderen verzerrt!

Und tatsächlich: Schaut man sich die Situation vor Ort an, gibt es nirgendwo einen Ort, wo ein palästinensischer Staat neben Israel eingerichtet werden könnte. Es bleibt schlicht und ergreifend kein Gebiet übrig, das zusammenhängend ist und das als Staatsgebiet neben Israel sinnvoll wäre. Israelische Regierungen sind sehr explizit in ihrer direkten Ablehnung jeder Form palästinensischer Staatlichkeit gewesen, egal wie abgemagert und emaskuliert er ist. Benjamin Netanyahu hat nachweislich auf jeden palästinensischen Staat mit „Nein“ geantwortet, aber keine andere größere zionistische Partei hat jemals offiziell einem palästinensischen Staat neben Israel zugestimmt.

Die Leute haben den falschen Eindruck, als habe der frühere Premierminister Yizhak Rabin durch das Oslo-Abkommen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) einer Zweistaatenlösung zugestimmt. Das ist ziemlich falsch: Im Oslo-Abkommen findet man kein einziges Wort über einen palästinensischen Staat, wenn man sich den Text tatsächlich durchliest. Darüber hinaus hat Rabin in seiner Präsentation des Oslo-Abkommens vor dem Knesset, der das Abkommen ratifizieren sollte, deutlich gemacht, dass er nicht an einen Staat, sondern an „something less than a state“ dachte – tatsächlich konnte es nichts sein, was im eigentlichen Sinne des Wortes einem Staat überhaupt nahekäme.

Aktuell gibt es einen sehr starken internationalen Druck auf Israel, damit die Zweistaatenlösung umgesetzt wird, doch es ist sehr unwahrscheinlich dass die USA – besonders unter Donald Trump, der sehr wahrscheinlich der nächste US-Präsident sein wird, oder unter dem aktuellen Regime von Joe Biden – dazu imstande oder dazu gewillt sein wird, Israel überhaupt den sogenannten palästinensischen „less than a state“ aufzuzwingen. Aber stellen wir uns vor, dass Bidens Idee einer Zweistaatenlösung irgendwie Israel aufgezwungen wird. Was wäre dann das Ergebnis? Es wäre nichts, was annähernd einer egalitären Lösung gleichkäme und läge völlige unterhalb der Minimalbedingungen zur Lösung des Konflikts. Wir hätten Israel als regionale Nuklearmacht auf der Mehrheit des Territoriums, neben einem entmilitarisierten Palästina. Die USA haben sehr ausdrücklich gesagt, dass der palästinensische sogenannte Staat entmilitarisiert sein würde.

Man hätte also einen entmilitarisierten palästinensischen Staat mit einer großen Bevölkerung messianischer israelischer Siedler, weil kein israelisches Regime dazu imstande sein wird die Siedlungen der Westbank zu evakuieren. Eine solche Evakuierung würde zu einem Bürgerkrieg innerhalb Israels führen, also wird keine existierende oder zukünftige israelische Regierung sie umsetzen können. Die Siedler würden also unter sogenannter palästinensischer Staatsmacht leben, und sie würden das tun, was sie jetzt schon tun: ihre Siedlungen auf palästinensischem Gebiet erweitern und in Konflikt geraten mit der palästinensischen Bevölkerung, die sie umgeben.

Die israelische Armee wäre weiterhin dazu imstande, herüberzukommen und in ihrem Sinne zu intervenieren, genauso wie sie es jetzt tut. Tatsächlich würde die Situation, die gerade mit den Siedlern existiert, die von der israelischen Armee Rückendeckung erhalten, unter dieser sogenannten „Zweistaatenlösung“ weiterbestehen. Sie würde zu dem führen, wozu die Besatzung in der jüngeren Geschichte geführt hat: Man hätte faktisch keine Zweistaatenlösung, sondern einen Staat neben einem Indianerreservat. Das wäre das Resultat, sogar wenn der Vorschlag umgesetzt werden würde – was in jedem Fall sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Was also in diesem unwahrscheinlichen Fall herauskäme, wären keine zwei Staaten mit gleicher Macht, sondern ein zionistischer Staat neben einer Tochtergesellschaft – einem Bantustan, wenn man die (etwas unkorrekte) südafrikanische Analogie verwenden möchte (Ich bevorzuge die Analogie des nordamerikanischen Modells der Indianerreservate).

Ein Staat 

Was ist mit der Einstaaten“lösung“? Einige der Versionen, die vorgeschlagen werden, erfüllen tatsächlich die Minimalbedingungen, die ich oben skizziert habe. Sie setzen den Sturz des zionistischen kolonialen Regimes voraus, doch die Frage ist: Kann das unter den aktuellen Umständen umgesetzt werden?

Was ich damit meine ist, dass ich denke, dass es im Rahmen des kapitalistischen Weltsystems, das aktuell existiert, unwahrscheinlich ist. Leider ist der Sturz des zionistischen Regimes – eine Bedingung für die Lösung dieses kolonialen Konflikts – ähnlich wie die ökologische Krise, etwas, das nicht innerhalb des Kapitalismus gelöst werden kann. Die Gründe hierfür habe ich an vielen Stellen ausgeführt (Ich verweise hier auf den Artikel, den ich zitiert habe, veröffentlicht im Weekly Worker im Juni 2016). Das Problem mit der Dekolonisierung Palästinas ist dass das zionistische Regime nicht von außen gestürzt werden kann, da es einfach keine Kraft gibt, die dazu fähig oder gewillt ist.

Und intern ist die Situation in diesem kolonialen Konflikt sehr anders als beispielsweise früher in Südafrika, wo die indigene Arbeitskraft, die für die politische Ökonomie des Landes essentiell war, eine interne Kraft darstellt, die einen Hebel besaß um das Apartheidregime zu Fall zu bringen. Etwas ähnliches gibt es nicht in der aktuellen Situation in Israel-Palästina, wo der Sturz des zionistischen Regimes nicht realisiert werden kann ohne die Teilnahme und die Unterstützung der israelischen Massen selbst – primär der israelischen hebräischen Arbeiterklasse.

Im Kapitalismus gibt es keinen Weg, in dem erwartet werden kann, dass der Sturz des zionistischen Regimes durch die israelische hebräische Arbeiterklasse unterstützt wird, aus dem einfachen Grund, dass sie hierdurch ihre aktuelle Position als ausgebeutete Klasse mit nationalen Privilegien gegenüber den Palästinensern austauschen würde durch eine Position, in der sie als Klasse immer noch durch das Kapital ausgebeutet werden würde, jedoch ohne nationale Privilegien. Das ist kein Deal, von dem gesagt werden kann, dass er wahrscheinlich von der Hauptkraft unterstützt werden würde, die das zionistische Regime stürzen kann.

Die einzige Chance, wie die israelische Arbeiterklasse den Sturz des Zionismus unterstützen könnte, wäre eine Situation, in der wir die Region des arabischen Ostens transformiert hätten, sodass man der israelischen Arbeiterklasse anbieten könnte, ihre aktuelle Situation als ausgebeutete Klasse mit nationalen Privilegien dagegen auszutauschen, dass sie Teil der herrschenden Klasse einer sozialistischen Region wird. Das ist etwas, das Sinn ergäbe. Ich sage definitiv nicht, dass so etwas wahrscheinlich ist oder in nächster Zeit eintreten wird. Dafür gibt es keine Anzeichen – auch wenn wir vielleicht eine Art Vorschau davon erhalten haben während der großen Aufstände des Arabischen Frühlings von 2010-12. Doch der wirkliche Sturz der aktuellen Regimes in der Region – der vielen reaktionären arabischen Regimes sowie des zionistischen Regimes – ist nicht etwas, das bald geschehen wird.

Wenn wir etwas Positives einbringen wollen, dann ist es am besten, wenn wir uns für die Minimalbedingungen für eine Lösung des Konflikts starkmachen. Ich glaube, dass es unehrlich wäre, sich für eine Einstaatenlösung einzusetzen in der aktuellen Situation, ohne deutlich zu machen, dass sie eine sozialistische Revolution voraussetzt, die in naher Zukunft nicht zu erwarten ist; und erst recht nicht, sich für eine Zweistaatenlösung einzusetzen, die eine Illusion und eine Täuschung ist.

Wenn wir etwas Positives einbringen wollen, dann ist die Botschaft, die wir vortragen können die des Minimalprogramms: Wir fordern gleiche Rechte für Alle auf individueller und nationaler Ebene, sowie das Recht der palästinensischen Geflüchteten, in ihre Heimat zurückzukehren.


Ins Deutsche übersetzt von Carlos Quiñones